Im Dialog

Unsere lokalen Chief Investment Officer (CIOs) im Austausch mit unseren Kunden

Italien

Ist es an der Zeit, das Aktiengewicht zu reduzieren?

Wir nähern uns einer Marktphase, in der Anleiheinvestments eine gute Performance versprechen. Die Konjunkturabschwächung und die sinkende Inflation erlauben es den Zentralbanken, weitere Schritte in Richtung eines niedrigeren Zinsniveaus als bisher zu machen. Was bedeutet das für die Aktienmärkte? Ist es an der Zeit, zumindest einen Teil der seit Jahresbeginn erzielten deutlichen Gewinne mitzunehmen? Sind die Turbulenzen im August und die nahenden US-Präsidentschaftswahlen als Alarmzeichen zu werten? Unsere einfache Antwort lautet: nein. Wir halten es zum jetzigen Zeitpunkt nicht für sinnvoll, die Gesamtgewichtung des Aktienanteils in den Portfolios zu verändern. Richtig jedoch ist, dass einige Anpassungen im Portfolio dazu beitragen können, auf dem Wachstumspfad zu bleiben und die potenziellen Risiken heftiger Korrekturen zu verringern.

Zunächst ist es richtig, dass die Aussichten für festverzinsliche Wertpapiere in den nächsten 9-12 Monaten grundsätzlich positiv sein dürften, und entsprechend denken wir darüber nach, die Duration und die Kreditrisikopositionen auszuweiten. Aber wir wollen diese Anpassungen nicht durch eine Reduktion der Aktienkomponente finanzieren, sondern durch den Einsatz der Cash-Komponente und kurzlaufender Staats- und Unternehmensanleihen. Das Renditepotenzial der Cash-Komponente erscheint begrenzt, da die Märkte bereits erhebliche Zinssenkungen sowohl der Europäischen Zentralbank als auch der US-Notenbank einpreisen.

Mit Blick auf unsere Aktienportfolios verfolgen wir in unseren Vermögensverwaltungs- und Beratungsportfolios in Italien einen globalen Ansatz. Das bedeutet, dass wir US-Aktien signifikant gewichten, und zwar zu etwa zwei Dritteln, entsprechend der Gewichtung in den globalen Aktienindizes. Ergänzend liegt unser Fokus auf europäischen und japanischen Aktien. Derzeit ist das Engagement in den Schwellenländern gering, und insbesondere bei chinesischen Aktien sind wir vorsichtig.

Der Blick auf japanische Aktien zeigt, dass diese Anfang August eine Korrektur von historischem Ausmaß erlebten und sich danach teilweise erholten. An unserer grundsätzlichen Einschätzung hat sich nichts geändert: Zum einen hat die japanische Realwirtschaft zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Chance, das Deflationsgespenst zu besiegen; zum anderen verfolgen die Unternehmen, auch aufgrund weitreichender Änderungen der Regeln für die Börsenaufsicht, einen langfristigen Kurs zur Steigerung der Kapitaleffizienz und der Aktionärsrendite. Angesichts der Volatilität, die in letzter Zeit zu beobachten war, reduzieren wir die Positionen leicht: Japanische Aktien halten wir (weiterhin) für eine wertvolle Beimischung, die aber in der richtigen (reduzierten!) Dosierung einzusetzen ist.

Auch die Bewertungen amerikanischer Unternehmen und insbesondere der so genannten “Megacaps”, die das Technologieumfeld dominieren, bleiben ein „heißes Eisen“. Richtig ist, dass die Bewertungen im historischen Vergleich hoch sind, wofür wir zwei wesentliche Gründe sehen. Erstens stellt der Sektor, in dem diese Unternehmen agieren, also die Technologie im weitesten Sinne, das vielversprechendste langfristige Anlagethema dar. Der Weg wird nicht linear verlaufen, mit Aufs und Abs, aber die Auswirkungen der technologischen Innovation auf den weltweiten Konsum und die Produktion stehen außer Frage; die Anfänge dieser Umwälzungen erleben wir bereits. Zweitens handelt es sich um Unternehmen, die in ihren Segmenten eine nahezu absolute Führungsposition einnehmen. Daher sind Anleger und Investoren bereit, für den Knappheitseffekt und den fehlenden Wettbewerb eine Prämie zu zahlen. Allerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass solche Wettbewerbsvorteile nicht von unendlicher Dauer sind. Nichtsdestotrotz betrachten wir das Engagement in diesem Sektor und den darin tätigen Unternehmen aktuell als ein Schlüsselelement unserer Anlagestrategie.

Aktuell nehmen wir außerdem eine Reihe von Anpassungen vor, um unseren Portfolios „mehr Bodenhaftung“ zu verleihen. In einer Phase konjunktureller Abschwächung wollen wir unsere Positionen in den Sektoren und Unternehmen, die stärker vom diskretionären Binnenkonsum abhängig sind, nicht ausweiten. Es gibt jedoch Sektoren, die potenzielle Rendite und defensive Eigenschaften in sich vereinen, und an diesen arbeiten wir im Hinblick auf eine schrittweise Aufstockung. Wir denken dabei vor allem an den Gesundheits- und Pharmasektor, der von der demografischen Dynamik und den Lebensgewohnheiten der westlichen Welt abhängt, gleichzeitig aber auch ein hohes Maß an natürlichen, wettbewerbsfähigen Innovationen aufweist. Ein weiterer interessanter Sektor ist der Finanzsektor. Zwar wird sich das künftige niedrigere Zinsniveau negativ auf das allgemeine Margenniveau auswirken, doch sollten positiv verlaufende Zinskurven diesen Effekt ebenso ausgleichen wie die Umstellung von Geschäftsmodellen, die zunehmend auf die Erzielung von Gebühren aus Dienstleistungen ausgerichtet sind. Auch Versorgungsunternehmen haben wir im Blick. Sie sind Dreh- und Angelpunkt für die Veränderungen, die unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften zu bewältigen haben: die technologische Revolution, die noch nie dagewesene Mengen an Energie und Infrastrukturen für deren Transport und Speicherung erfordert, und die Energiewende, die die Erforschung und Umsetzung zahlreicher konkurrierender Wege zur Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen erforderlich machen wird. Auch in diesen Bereichen bietet der europäische Markt interessante Unternehmen und Weltmarktührer. Um auch mögliche Risiken im Blick zu haben, bleibt eine fundamentale und umfassende Analyse einzelner Sektoren und Unternehmen grundsätzlich aber unabdingbar.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir nicht die Frage nach der richtigen Gewichtung von Aktien stellen, sondern die Selektion von Sektoren, Themen und Unternehmen für entscheidend halten. Wir setzen auf den Aufbau einer Sektor-Allokation, welche die treibende Kraft des Technologiesektors mit den stabilisierenden Effekten bestimmter defensiver Sektoren kombiniert, um das aktuelle Aktienmarktumfeld zu meistern.

Alessandro Caviglia, Chief Investment Officer Italy, UniCredit SpA

Österreich

Taktische Aufstockung von Schwellenländer-Anleihen in lokaler Währung

Mitte September hat die US-Notenbank ihren Leitzins um einen halben Prozentpunkt gesenkt. Die Zinswende in den USA startet also mit einem großen Schritt. Sie soll den Arbeitsmarkt ankurbeln und die Wirtschaft auch weiterhin auf dem Wachstumspfad halten. Die erste Lockerung seit mehr als vier Jahren sollte nicht nur den USA, sondern auch den Schwellenländern zugutekommen. Denn die niedrigeren Renditen von US-Staatsanleihen machen die höheren Renditen in dieser Anlageklasse wieder interessanter. Ein zu erwartender vermehrter Zufluss an Kapital in die Schwellenländer sollte auch die Währungsentwicklung zu deren Gunsten beeinflussen. Historisch betrachtet haben sich die Währungen der Schwellenländer sechs Monate nach Beginn des Lockerungszyklus der Fed im Durschnitt gut entwickelt. Wir gehen davon aus, dass die Schwellenländer-Währungen auch im aktuellen Lockerungszyklus gute Chancen auf eine Aufwertung haben könnten.

Weitere mögliche Argumente für diese Anlageklasse sind einerseits die konservative Finanzpolitik und die gesunkene Inflation in vielen Staaten. Deren Regierungen verfolgen weiterhin eine konservative Finanzpolitik und halten die außenwirtschaftlichen Bilanzen unter Kontrolle. Der Anteil der Staaten, die ein hohes Haushalts- und hohes Leistungsbilanzdefizit ausweisen, geht kontinuierlich zurück. Auch in den Schwellenländern ist die Inflation im Jahr 2024 kontinuierlich gesunken, und die meisten Staaten melden eine Gesamtinflation, die wieder innerhalb des Zielbereichs der jeweiligen Zentralbank liegt. Trotz des deutlichen Inflationsrückgangs sind die Notenbanken der Schwellenländer angesichts der Unsicherheit über den Leitzinspfad der Fed und der anhaltenden Volatilität der US-Renditen bei ihrem Lockerungstempo vorsichtig vorgegangen. Das reale Wachstum der Schwellenländer dürfte in den nächsten Jahren über dem Wachstum der entwickelten Märkte liegen und auch Währungsaufwertungen unterstützen.

Unsere Einschätzung ist, dass Schwellenländer-Anleihen in lokaler Währung einen interessanten „Carry“ (laufendes Zinseinkommen) bieten und von Zinssenkungen Rückenwind erhalten könnten. Zudem scheinen die lokalen Währungen unterbewertet und dürften wieder an Boden gewinnen, wenn die Fed die Zinsen weiter senkt. Eine abwartende Haltung der Fed und ein stärkerer US-Dollar (nicht unser Basisszenario) würden die Anlageklasse hingegen belasten. Weiterhin gilt es zu beachten, dass potenzielle Bonitätsrisiken sowie Fremdwährungsschwankungen, die bei Schwellenländern oftmals höher sin, den potenziellen Ertrag beeinträchtigen können. Aufgrund der Chancen bei Schwellenländer-Anleihen in lokaler Währung, die wir größer einschätzen als die Risiken, verstärken wir unsere Übergewichtung in diesem Anlagesegment.

Oliver Prinz, Co-Chief Investment Officer of UniCredit Bank Austria AG and Schoellerbank AG

Deutschland

Wie bewerten Sie den Draghi-Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU?

Nachdem die Kommission der Europäischen Union (EU) den früheren EZB-Präsidenten und ehemaligen Regierungschef Italiens, Mario Draghi, vor rund einem Jahr um eine Analyse gebeten hatte, wie die EU wettbewerbsfähig bleiben kann, legte dieser den entsprechenden Strategiebericht Anfang September vor. Draghi betrachtet die Steigerung der Produktivität der EU als „existenzielle Herausforderung“, um im Wettbewerb mit den USA und China nicht nachhaltig ins Hintertreffen zu geraten und fordert massive zusätzliche Investitionen im Umfang von 750 bis 800 Mrd. Euro pro Jahr in die Digitalisierung und Dekarbonisierung der EU-Wirtschaft bzw. in die Verteidigungsfähigkeit der EU. Das entspricht 4,4 % bis 4,7 % des europäischen Bruttoinlandsprodukts (2023) – Werte, wie sie zuletzt in den 1970er-Jahren erreicht wurden. Zu den wichtigsten seiner Vorschläge zählen die Lockerung der Wettbewerbsregeln, die Integration der Kapitalmärkte, die verstärkte Nutzung gemeinsamer Beschaffungsverfahren im Verteidigungssektor und eine neue Handelsagenda zur Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der EU. Historisch gesehen, so Draghi, würden in Europa etwa vier Fünftel der produktiven Investitionen von der Privatwirtschaft getätigt, das restliche Fünftel käme von der öffentlichen Hand. Entsprechend plädiert Draghi für gemeinschaftliche Schulden, also die Ausgabe gemeinsamer Anleihen, wie sie die EU bereits im Rahmen ihres Fonds zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie (Europäischer Aufbauplan „Next Generation EU“, NGEU)“ auf den Markt gebracht hat.

Draghis Sorgen, dass die EU „die durch das Internet ausgelöste digitale Revolution und die damit verbundenen Produktivitätsgewinne weitgehend verpasst“ haben und bei neuen Technologien gegenüber den USA und China an Boden verlieren, sind kaum von der Hand zu weisen. Nur vier der 50 größten Technologieunternehmen der Welt seien europäische Unternehmen. Auch seine Kritik an der Fragmentierung des EU-Binnenmarkts, der auch 30 Jahre nach seiner Geburt unvollendet bleibt, und dem Fehlen einer echten Kapitalmarktunion, die bislang verhindert, dass mehr Risikokapital für Unternehmensgründungen fließt, scheint gerechtfertigt. Unstrittig ist, dass Forschung und Entwicklung (F&E) und die damit verbundenen Innovationen für die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften von elementarer Bedeutung sind. Bereits im Jahr 2000 setzte sich die EU mit der sogenannten Lissabon-Strategie das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nachhaltig zu steigern. Dafür sollten die F&E-Gesamtausgaben innerhalb von zehn Jahren auf 3 % des BIP steigen. Mit Aufwendungen von rund 2,2 % (Eurostat-Daten für 2022; zum Vergleich 3,4 % in den USA) wurde dieses Ziel bislang deutlich verfehlt.

Unabhängig von der Frage der Finanzierung – auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete Instrumente zur Gemeinschaftsfinanzierung als bedeutsam; denkbar seien aber auch sogenannte Eigenmittel, etwa Einfuhrzölle und die EU-Plastikabgabe – dürfte der Bericht als wichtiges Gegengewicht zu den Befürwortern strenger Fiskalregeln in den allgemeinen EU-Haushaltsdiskussionen dienen und fiskalische Anreize unterstützen. Grundsätzlich halten auch wir mehr Europa für den richtigen Weg, um die EU in Sachen Wettbewerbsfähigkeit wieder nach vorn zu bringen. Neben der Bewältigung der digitalen Transformation sind in diesem Zusammenhang Fortschritte bei der nachhaltigen Dekarbonisierung der EU-Wirtschaft hin zu einer sauberen und wettbewerbsfähigen Kreislaufwirtschaft von zentraler Bedeutung.

Philip Gisdakis, Chief Investment Officer Germany, UniCredit Bank GmbH (HypoVereinsbank)