Im Dialog

Unsere lokalen Chief Investment Officer (CIOs) im Austausch mit unseren Kunden

Italien

Muss uns der jüngste Anstieg der Ölpreise beunruhigen?

Seit den jüngsten Tiefstständen im Juni ist der Ölpreis deutlich gestiegen. Die Gründe dafür liegen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Auf der Angebotsseite kamen die Produktionskürzungen der OPEC+ zunächst überraschend. Sie zeigen allerdings die feste Absicht der Hauptexportländer Saudi-Arabien und Russland, den Verfall der Ölpreise zu bremsen, was für die Widerstandsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung ist. Zwar steigt die Produktion in den USA, dem weltweit führenden Förderland, an – aber nur sehr langsam. Die Zahl aktiver Förderanlagen ist seit Jahresbeginn sogar um 100 auf 515 zurückgegangen (Stand: 15. September 2023), was Zweifel daran aufkommen lässt, dass das derzeitige US-Produktionsniveau gehalten werden kann. Auf der Nachfrageseite hingegen bleibt der Verbrauch von Rohöl in den USA hoch, da sich die Wirtschaft weniger als erwartet verlangsamt, so dass die Lagerbestände schrumpfen. In Asien hält China, der weltweit größte Ölverbraucher, trotz schwächelnder Konjunktur die Nachfrage hoch, und der Verbrauch in Indien, dem weltweit drittgrößten Verbraucher, steigt stetig und deutlich an (siehe auch Fokus-Teil). Vor diesem Hintergrund ist eine ausgeprägte Korrektur der Ölpreise nur schwer vorstellbar. Entscheidend ist jedoch, ob der Anstieg der Ölpreise eine erneute Beschleunigung der Inflationsraten nach sich ziehen wird. Die Gefahr, dass die Zentralbanken die Zinsen wieder bzw. weiter anheben müssen, um die Inflation einzudämmen, scheint jedenfalls nicht gebannt, und weitere Zinsschritte dürften sich negativ auf den Anleihemarkt auswirken. Aktuell halten wir das Risiko einer Stagflation (d. h. der Kombination aus niedrigem Wachstum und hoher Inflation), aber für gering.

Angesichts von Inflationsraten, die zwar nach wie vor deutlich über dem 2-Prozent-Zielwert liegen, aber stetig zurückgehen, wägen Fed und EZB ihr weiteres Vorgehen zunehmend anhand der eingehenden Daten vorsichtig ab. Der Rückgang der Ölpreise war sicherlich eine der Hauptursachen für den Rückgang der Gesamtinflationsrate und in der Folge mittelbar auch der Kerninflation. Letztere ist für die Zentralbanken der wichtigere Indikator für die Analyse künftiger Inflationsentwicklungen. So dürfte die jüngste Entwicklung des Ölpreises sicherlich einen Aufwärtsdruck auf die Gesamtinflationsrate ausüben. Man darf jedoch nicht außer Acht lassen, dass die zweistelligen Teuerungsraten in der Zeit nach der Corona-Pandemie zwei außergewöhnliche Treiber hatten: die Unterbrechung der globalen Produktions- und Vertriebsketten und den Einmarsch Russlands in der Ukraine. Daher halten wir es für unwahrscheinlich, dass der Anstieg der Ölpreise im derzeitigen „normalen“ Umfeld ähnlich verheerende und dauerhafte Auswirkungen auf die Preisdynamik haben wird. Darüber hinaus sind für die Kerninflation vor allem die Wohnkosten von Bedeutung. Letztere haben in den USA ihren Gipfel überschritten und weisen einen deutlichen Disinflationstrend auf, der den Ölpreisanstieg ausgleichen oder sogar überkompensieren könnte. Diese Bewertung wird auch durch die erwarteten marktbasierten Inflationsraten gestützt (berechnet als Renditedifferenz zwischen nominalen und realen Staatsanleihen mit Inflationsschutz, sogenannte TIPS), die sich in den letzten Monaten recht stabil zeigen. Vor diesem Hintergrund sehen wir uns in unserer Einschätzung bestätigt, dass Anleihen mit guter Bonität (Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit einem Rating von mindestens BBB) eine Anlage darstellen, die gute Renditechancen mit dem Potenzial zur Absicherung gegenüber einer stärkeren Konjunkturabschwächung verbindet.

 

Alessandro Caviglia, Chief Investment Officer Italy, UniCredit SpA

Österreich

Festgeld oder Wertpapierveranlagung?

Seit mehr als einem Jahr bekämpfen die Notenbanken die stark angestiegene Inflation mit diversen geldpolitischen Maßnahmen. Der jüngste Zinsschritt der EZB ist für Sparer eine gute Nachricht. Diese hat seit Mitte letzten Jahres zum zehnten Mal die Zinsen angehoben und den Einlagensatz, den Geschäftsbanken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, auf ein neues Rekordhoch von 4,00 % angehoben. Das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Viele Experten gehen nun von einer Zinspause und dem Erreichen des Zinsgipfels aus. Das aktuelle Zinsniveau ist ein attraktives Umfeld für Sparer und die Diskussionen häufen sich, ob es nicht interessanter wäre, statt einer Wertpapierveranlagung das Ersparte in Festgeldern zu parken. Das letzte Kalenderjahr hat viele Anleger verunsichert und gezeigt, dass auch Staatsanleihen teilweise über 10 % verlieren können. Diese Kursverluste bei Anleihen, die wir in den letzten 50 Jahren in diesem Ausmaß nicht erlebt haben, haben sich negativ auf die Performance vieler Portfolios ausgewirkt. Darüber hinaus sind viele Investoren aufgrund der großen Unsicherheit, wie sich die Inflation und die Konjunktur in der Eurozone entwickeln werden, verunsichert. Ist es jetzt ratsam, sich die hohen Zinsen mittels Festgeldveranlagung zu sichern oder ist eine diversifizierte Wertpapierveranlagung doch die bessere Variante?

Auf den ersten Blick erscheinen die Zinssätze bei Festgeldern interessant zu sein und eine Alternative zu einer Wertpapierveranlagung zu bieten. Die Risiken der Wiederveranlagung bei Ablauf der Zinsvereinbarung scheinen aber erheblich. In einem Jahr könnten sich die möglicherweise stattfindenden ersten Zinssenkungen negativ auf das Umfeld der Wiederveranlagung auswirken. Ein rechtzeitiges Nutzen von Chancen auf dem Kapitalmarkt ist vom Einstiegszeitpunkt schwer einschätzbar. Die Renditen sind bei vielen Anleihen durch die deutlichen Zinsanstiege allerdings heute wieder sehr ansprechend. Ein nicht unerheblicher Teil der Emissionen von Staatsanleihen liegen im 5-jährigen Laufzeitenbereich wieder über der aktuell eingepreisten Inflationserwartung. Damit sind wieder positive Realrenditen (Renditen abzüglich der Inflationsrate) im sichersten aller Segmente möglich. Man kann getrost von einer Zeitenwende sprechen. Allein aus dieser Endfälligkeitsbetrachtung sind Anleihen also wieder interessant.

Sollte sich das Wirtschaftswachstum eintrüben, dann lebt auch die Fantasie rückläufiger Renditen auf. Die so möglichen Kursgewinne können vor allem in gemischten Strategien – mit Aktien und Anleihen – auch wieder als Puffer gegen mögliche Kursrückgänge bei risikoreicheren Veranlagungen dienen. Das Risiko besteht jedoch, dass steigende Renditen die Anleihenkurse weiter belasten. Aus unserer Sicht ist der Zinsanhebungszyklus bereits weit fortgeschritten, weshalb wir diesem Szenario eine geringe Wahrscheinlichkeit beimessen. Wir nutzten dieses Umfeld im Sommer, um die zu Anfang des Jahres geschaffene Liquidität in europäische Staatsanleihen zu investieren. Ein kleiner Teil wurde auch in globale Anleihen (Anleihen entwickelter Länder außerhalb des Euro-Raums) investiert. Durch diesen Schritt profitieren wir stärker von allfällig sinkenden Renditen. Wir sicherten uns die attraktiven Renditeniveaus für einen längeren Zeitraum, als dies mit einer Geldmarktbindung möglich gewesen wäre.

 

Oliver Prinz, Co-Chief Investment Officer of UniCredit Bank Austria AG and Schoellerbank AG

Deutschland

Gibt der Boom beim Bau neuer Fabriken in den USA der Fed Anlass zur Sorge?

In den USA ist die Biden-Administration bemüht, die wirtschaftlichen Abhängigkeiten vom Ausland zu verringern, die Widerstandsfähigkeit der globalen Wertschöpfungsketten zu verbessern, den grünen Wandel zu beschleunigen und Industrieregionen, die zu Verliererern der Globalisierung und dem technologischen Fortschritt zu werden drohen, wiederzubeleben. Anders als in früheren Episoden (aggressiver) geldpolitischer Straffung erlebt das verarbeitende Gewerbe in den USA dank der entsprechenden regulatorischen und fiskalischen Weichenstellungen (Infrastructure Investment and Jobs Act, CHIPS Act sowie Inflation Reduction Act) sowie großzügiger Subventionen einen außergewöhnlichen Boom beim Bau neuer Produktionsstätten: Die Ausgaben des verarbeitenden Gewerbes für das Baugewerbe stiegen seit Anfang 2022 rasant an, insbesondere in der Computer-, Elektronik- und Elektroindustrie, wo sich die realen Bauausgaben laut US-Finanzministerium in dieser Zeit nahezu vervierfachten.

Auch wenn das robuste US-Wirtschaftswachstum zuletzt in erster Linie auf den starken privaten Konsum zurückzuführen sein dürfte (und weniger auf die industriepolitischen Maßnahmen der US-Regierung), bergen letztere die Gefahr, dass unternehmerische Investitionsentscheidungen vom Konjunkturzyklus abgekoppelt werden. Insofern könnte der jüngste Boom beim Bau neuer Fabriken symptomatisch für ein breiteres Phänomen sein, das die Aufgabe der Fed bei der Eindämmung der Inflation erschweren könnte, da zwar mittelfristig die Produktionskapazitäten der Wirtschaft ausgeweitet werden (mit disinflationären Effekten), kurzfristig die Nachfrage jedoch angekurbelt wird (mit inflationären Effekten). Wenn Unternehmen die vorhandenen fiskalischen Anreize nutzen und expandieren wollen, könnte sich der US-Arbeitsmarkt weniger schnell abkühlen als erhofft. Nicht auszuschließen ist, dass die Geldpolitik der Fed vor diesem Hintergrund länger restriktiv bleiben muss, zumal die Ausweitung inländischer Produktionskapazitäten potenziell auf Kosten von Effizienzgewinnen aus dem internationalen Handel und der Spezialisierung geht – und die Industriepolitik auch auf diesem Weg mittelfristig für Inflationsdruck sorgen könnte.

 

Philip Gisdakis, Chief Investment Officer Germany, UniCredit Bank GmbH (HypoVereinsbank)