Unsere Anlagestrategie

Rezessionsrisiken nehmen zu

Im August wurde die anfängliche Erholung der Aktienkurse, die auf einer besser als erwarteten Gewinnsaison für das zweite Quartal und Hoffnungen auf einen dovischen Schwenk in der Geldpolitik der Fed gründete, unterbrochen und wieder rückgängig gemacht. Ursächlich dafür war die erneute Bekräftigung von Fed-Präsident Jerome Powell auf dem Symposium in Jackson Hole, dass die US-Notenbank die Zinsen anheben wird, auch wenn dies für Haushalte und Unternehmen schmerzhaft sei. Powell wies darauf hin, dass die Geldpolitik noch einige Zeit restriktiv bleiben müsse und historische Daten stark vor einer verfrühten Lockerung der Geldpolitik warnten.

In der ersten Septemberhälfte hob sogar die EZB mit einer überraschenden, einstimmigen Entscheidung ihre Leitzinsen um 75Bp an und scheint nun trotz steigender Rezessionsgefahren auf eine deutlich restriktive Geldpolitik eingeschwenkt zu sein. Der Optimismus der Anleger wurde durch positive Nachrichten über den Ukraine-Krieg und durch die Hoffnung auf eine Verlangsamung der US-Inflation genährt. Die Hoffnungen auf einen Rückgang der US-Inflation wurden im August aber letztlich auf breiter Front enttäuscht. Interessant ist auch, dass die Untergewichtung der Anleger bei risikoreichen Anlagen die Erholung der Aktienmärkte im Sommer recht gut erklärt (siehe Grafik 9).

In einem solchen Wettbewerbsumfeld mit großer Unsicherheit (geringeres globales Wachstum mit steigenden Rezessionsrisiken, hartnäckige und hohe Inflation, hawkische Zentralbanken) halten wir an unserer defensiven Anlagestrategie fest. In Bezug auf die regionale Aktienallokation bleiben wir gegenüber allen wichtigen Regionen neutral. Europa ist derzeit der Schwachpunkt, da es mit einer Eskalation der Energiekrise und steigenden Rezessionsrisiken stärker konfrontiert ist als die USA. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die EZB mit ihrer restriktiven Geldpolitik über ihr Ziel hinausschießt, die Inflation bekämpfen zu wollen, da die Inflationsdynamik in der Eurozone hauptsächlich angebots- und energiepreisgetrieben ist, während sie in den USA zudem auch nachfragegetrieben ist.

Positiv bleibt zu erwähnen, dass wir mehr fiskalische Maßnahmen erwarten, um Haushalte und Unternehmen vor steigenden Energiepreisen zu schützen und Investitionen in Energie und Verteidigung zu finanzieren. Kürzlich forderte der Internationale Währungsfonds den Aufbau von EU-Finanzkapazitäten auf der Grundlage der jüngsten Erfahrungen mit NextGenerationEU (NGEU)15, um die makroökonomische Stabilisierung der Eurozone zu verbessern. Auch dürfte der schwächere Euro gegenüber dem US-Dollar, die niedrigen Bewertungen europäischer Aktien (das 12-Monats-Forward-KGV für den Euro Stoxx50 liegt bei 11 und damit deutlich unter dem historischen 10-Jahres-Durchschnitt) sowie die Unterpositionierung der Anleger bei europäischen Titeln die Baisse teilweise ausgleichen. Daher bleiben wir bei Aktien aus der Eurozone neutral, sind uns aber bewusst, dass dies kurzfristig das anfälligste Segment sein könnte.

Wir bewerten auch US-Aktien als neutral: Sie tendieren zu einer Outperformance, wenn sich das globale Wachstum verlangsamt. Der gesunde US-Arbeitsmarkt deutet an, dass die USA später in eine Rezession eintreten könnten als die Eurozone. Die höhere Bewertung (das 12-Monats-Forward-KGV für den S&P 500 liegt bei 17,5) wird daher durch die relativ besseren Wachstumsaussichten und die Widerstandsfähigkeit der Erträge gestützt. Dagegen birgt die Aussicht auf eine harte Straffung der US-Geldpolitik mittelfristig hohe Risiken für die Verbraucher und das Ertragswachstum der Unternehmen.

Die globale wirtschaftliche Verlangsamung, die geldpolitische Straffung der Fed und die Stärke des US-Dollar belasten Schwellenländer-Aktien. Außerdem ist ihre ESG-Bewertung16 weniger attraktiv als die der USA und Europas. Die attraktive Bewertung der Schwellenländer (das 12-Monats-Forward-KGV für den MSCI Schwellenländer (EM) liegt bei 11) wird wahrscheinlich erst dann voll zur Geltung kommen, wenn die Fed weniger restriktiv wird und die Weltwirtschaft wieder anzieht. Der Zinserhöhungszyklus der Schwellenländer ist zudem weiter fortgeschritten als in den entwickelten Märkten. Wenn die Fed also einen dovischen Schwenk ankündigt, dürften Schwellenländer in der Lage sein etwas aufzuholen.

In China hat sich die Konjunktur deutlich verlangsamt, wird aber durch die Öffnungen nach den strengen Corona-Lockdowns sowie die geld- und fiskalpolitischen Lockerungen gestützt. Die Null-Covid-Politik, die Anstrengungen zur Abkühlung der Immobilienblase und die geopolitischen Spannungen (Taiwan) stellen jedoch große Unsicherheiten für die Anleger in dieser Region dar. Auch die Befürchtungen, dass Präsident Xi Jinping auf dem nächsten Kongress der Kommunistischen Partei im Oktober eine strukturelle Verschiebung hin zu einer zentralen Planung ankündigen könnte, nehmen zu und zwingen einige institutionelle Anleger, ihre Wetten auf chinesische Aktien zu reduzieren. Auf der anderen Seite hoffen einige Beobachter, dass auf dem Kongress eine gewisse Lockerung der Null-Covid-Strategie angekündigt wird.

Bei der Allokation nach Sektoren und Anlagestilen halten wir an einer defensiven und qualitätsorientierten Ausrichtung fest und konzentrieren uns auf die Branchen Pharma, Basiskonsumgüter und Energie sowie auf Unternehmen mit einer höheren Preissetzungsmacht und einer hohen Cashflow-Generierung bzw. einer hohen Dividendenrendite.

Da Fed und EZB im Sommer ihre hawkische Haltung bekräftigt haben, halten wir auch an der Untergewichtung globaler Anleihen fest, wobei wir Unternehmensanleihen und selektiv Anleihen aus Schwellenländern bevorzugen.
Die Untergewichtung von Staatsanleihen bauen wir jedoch allmählich weiter ab und erhöhen ihre Duration, da wir mittel- bis langfristige Anlagechancen in US-amerikanischen und europäischen Staatsanleihen sehen. In den nächsten Monaten dürfte die Inflation zwar hartnäckig bleiben, aber zumindest in den USA aufgrund sinkender Rohstoffpreise und des Wegfalls einiger Angebotsbeschränkungen zurückgehen, während die Risiken einer Rezession, insbesondere in der Eurozone, erheblich sind und zunehmen.

Die Spread-Ausweitung bei hochverzinslichen Unternehmensanleihen scheint eine wirtschaftliche Abkühlung einzupreisen, aber nicht das Rezessionsszenario (siehe Tabelle 12). Außerdem sind hochverzinsliche Unternehmensanleihen anfällig für einen Wettbewerb um weniger Liquidität.

Bei Schwellenländer-Anleihen bleiben wir angesichts der Straffung der Geldpolitik der US-Notenbank und der Verknappung der globalen Liquidität selektiv und bevorzugen qualitativ hochwertige Carry-Trades17, sowohl bei Anleihen in Hart- als auch in Lokalwährungen18.

Bargeld und Gold bieten weiterhin Möglichkeiten zur Portfolioabsicherung. Die Ölpreise sind im Sommer gesunken, infolge von Rezessionsängsten und Hoffnungen auf das Atomabkommen mit dem Iran, das ein um 1,5 Millionen Barrel pro Tag höheres Ölangebot bedeuten dürfte.

Was Währungen betrifft, so scheint der US-Dollar nach dem hawkischen Schwenk der EZB eher seitwärts zum Euro zu tendieren. Trotz seiner fundamentalen Überbewertung könnten nur ein Rückgang der Inflation in den USA und die Andeutung eines geldpolitischen Schwenks der Fed den Aufwertungstrend des US-Dollars gegenüber anderen wichtigen Währungen umkehren.

Unsere Anlagestrategie im Überblick

AKTIEN

Aktien global: Neutral

Geringeres globales Wachstum und potenziell negative Gewinnrevisionen. Mittel- bis langfristige Anlagemöglichkeiten aufgrund der günstigeren Bewertung.

Aktien Europa: Neutral

Europäische Aktien sind dem steigenden Risiko einer sich abschwächenden wirtschaftlichen Entwicklung bei gleichzeitig höheren Inflationsraten sowie einer restriktiveren Geldpolitik durch die EZB ausgesetzt. Längerfristig dürfte die Eurozone aber von höheren Investitionen in der Energie- und Verteidigungsindustrie profitieren.

US-Aktien: Neutral

Ein insgesamt starker Arbeitsmarkt und resiliente Unternehmensgewinne stützen, die aggressivere, hawkischere Gangart der Fed belastet. Wir bevorzugen defensive Sektoren, da sie besser abschneiden, wenn sich das globale Wachstum verlangsamt.

Schwellenländer-Aktien: Neutral

Wir stufen Schwellenländeraktien aufgrund eines geringeren globalen Wachstums und sinkender Liquidität infolge der restriktiven US-Geldpolitik und des stärkeren US-Dollars als neutral ein. Bei den Schwellenländern wird eine selektive Auswahl der Länder und Sektoren dringend empfohlen.

Asien-Pazifik-Aktien (Entwickelte Märkte): Neutral

Japanischen Aktien werden durch die schwächere wirtschaftliche Entwicklung belastet; der Export wird durch einen schwächeren Yen gestützt.

RENTEN

Renten Global: Untergewichten

Festverzinsliche Wertpapiere sind anfällig für hohe Inflation und steigende Zinssätze.

Euro Investment Grade-Unternehmensanleihen: Übergewichten

Wir verstärken unsere selektive und defensive Ausrichtung.

Hochverzinsliche Unternehmensanleihen: Neutral

Interessante Renditedifferenziale („Carry Plays“) stützen, aber anfällig für Szenarien einer „harten“ wirtschaftlichen Landung und geringerer Liquidität. Wir verstärken unsere selektive und defensive Ausrichtung.

Europäische Staatsanleihen (EWU): Untergewichten

EWU-Staatsanleihen sind anfällig für eine Straffung durch die EZB, aber wir reduzieren die Untergewichtung und erhöhen schrittweise die Duration des Staatsanleiheportfolios.

Nicht-EWU-Staatsanleihen: Neutral

Wir sehen langfristige Anlagemöglichkeiten in US-Staatsanleihen, die hartnäckige US-Inflation legt aber ein graduelles Vorgehen nahe.

Schwellenländer-Anleihen: Übergewichten

Die Suche nach Rendite unterstützt unsere positive Haltung. Eine straffere Fed sowie der Inflationsdruck in den Schwellenländern lassen aber eine defensive und selektive Haltung sinnvoll erscheinen.

Geldmarkt/Liquidität: Übergewichten

Geldmarktanlagen erscheinen als Absicherung gegen die gestiegene Unsicherheit (Risikostreuung) und zum „Parken“ von Liquidität derzeit sinnvoll.

Alternative Anlagen: Neutral

Solche Anlagen bieten Diversifikationspotenzial für das Portfolio. Sachwerte profitieren von ihrer Rolle als Instrumente der Inflationsabsicherung.

Rohstoffe: Übergewichten

Rohstoffe sind eine spätzyklische Anlageklasse, die von der globalen Erholung und – vor allem bei fossilen Energieträgern und einigen Metallen – von den gestiegenen geopolitischen Spannungen profitieren.

Gold: Übergewichten

Gold sollte seine Rolle als „sicherer Hafen“ zur Inflationsabsicherung und gegen Unsicherheiten immer wieder entfalten können.

WÄHRUNGEN

EUR-USD: Untergewichten

Die Flucht in Qualität im derzeitigen Risk-off-Umfeld und eine restriktivere Fed stützen den US-Dollar. Nur ein Rückgang der Inflation in den USA und die Andeutung eines Schwenks der Fed könnten den Trend umkehren.

Entwicklung ausgewählter Finanzmarktindizes

Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Wertentwicklung. Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Die Rendite bei Anlagen in Fremdwährungen kann auch infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Um die Entwicklung von Staatsanleihen in einem festen Laufzeitbereich abzubilden, werden so genannte synthetische Anleihen berechnet. Dabei wird jeweils die zum relevanten Zeitpunkt „passendste“ reale (echte) Bundesanleihe herangezogen und als Referenz für die Renditechance der synthetischen Anleihe genommen. Abgebildet ist die Entwicklung der erwarteten Rendite bis zur Endfälligkeit (Yield to maturity) unter folgenden Voraussetzungen: bedingungsgerechte Bedienung der Zinszahlungen und Einlösung sowie Halten bis Endfälligkeit. Insoweit handelt es sich um eine Renditechance. Die Renditechancen spiegeln die unterschiedlichen Risikoeinschätzungen der Anleger zu den jeweiligen Produkten bzw. Ländern wieder (höhere Renditechance=höhere Risikoeinschätzung). Die synthetischen Anleihen können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei Währungen und Rohstoffen sind anfallende Erwerbs- und/oder Verwahrkosten nicht berücksichtigt. Quelle: Refinitiv Datastream. Stand: 19.09.2022

15Die schweren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie veranlassten die EU zum Handeln. „NextGenerationEU“ (NGEU) ist ein befristetes Programm im Umfang von 750 Milliarden Euro. Die finanziellen Mittel sollen die EU-Mitgliedsstaaten bei ihren Maßnahmen für einen nachhaltigen Aufschwung unterstützen.

16ESG steht für Environmental, Social, Governance (deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) wird als weiter Begriff für CSR (Corporate Social Responsibility) verwendet. Hierbei handelt es sich um die Evaluierung der unternehmerischen Sozialverantwortung.

17Carry Trades sind Geschäfte, bei denen der Händler Preisunterschiede ausnutzen möchte. Ein Akteur leiht sich beispielsweise Geld in einem Land mit niedrigen Zinsen und legt dieses Geld in einem Land mit hohen Zinsen an. Die Zinsdifferenz spiegelt seinen Gewinn wieder.

18Währungen mit stabilen Wechselkursen und Währungen, die weiter aufgewertet werden könnten, werden als harte Währungen bezeichnet.