Wirtschaft und Märkte

Notenbanken bekräftigen Zinssenkungszyklus für das Jahr 2024

USA: DIENSTLEISTUNGSSEKTOR UND ARBEITSMARKT WEITER ROBUST, POWELL BESTÄTIGT ZINSAUSBLICK VOR US-KONGRESS

Die jüngsten Konjunkturdaten deuten auf ein stabiles Wachstum der US-Wirtschaft im ersten Quartal 2024 hin. Frühindikatoren wie der der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor, der vom Institute of Supply Mangement (ISM) ermittelt wird, befinden sich weiterhin im Expansionsbereich, während der ISM-Index für die Industrie zwar noch unter der Marke von 50 (Kontraktion) liegt, sich aber seit einigen Monaten tendenziell verbessert (siehe Grafik 3). Der für die US-Wirtschaft so wichtige Arbeitsmarkt zeigte sich nach den soliden Januarzahlen (nach Revisionen) auch im Februar robust. Allerdings stieg die Arbeitslosenquote mehr als erwartet an (siehe Grafik 3). Letzteres steht im Einklang mit den Ergebnissen anderer Arbeitsmarktindikatoren, die darauf hindeuten, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt deutlich weniger angespannt ist und sich in den kommenden Monaten weiter entspannen wird. Trotz der zu erwartenden Verlangsamung der konjunkturellen Dynamik bis zur Jahresmitte und dem Szenario eines Soft Landing9 der US-Wirtschaft rechnen wir für 2024 mit einer gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate von rund 2 %.

Bei seinen beiden Anhörungen vor dem Finanzausschuss des US-Kongresses hat Fed-Präsident Jerome Powell den Zinssenkungsplan der US-Notenbank für dieses Jahr bekräftigt, gleichzeitig aber angedeutet, dass es keine Eile für eine frühzeitige Zinssenkung gebe. Diese Aussage unterstreicht erneut die Sichtweise der Fed, dass eine kontinuierliche Annäherung an das Inflationsziel von 2 % nicht garantiert ist, da eine zu frühe oder zu starke Lockerung der geldpolitischen Zügel zu einer Umkehr der Inflationsentwicklung führen und letztlich eine noch restriktivere Politik erforderlich machen könnte. Gleichzeitig könnte eine zu späte oder zu geringe Lockerung der Zinszügel Konjunktur und Beschäftigung über Gebühr schwächen. Powell betonte erneut, dass eine Senkung des Zielkorridors erst dann angemessen sei, wenn größere Zuversicht in die Nachhaltigkeit der Inflationsentwicklung in Richtung 2 % bestehe. Hinsichtlich des genauen Zeitpunkts einer ersten Zinssenkung nannte er „Mitte des Jahres“ als wahrscheinlichsten Zeitpunkt, den auch wir weiterhin als Basisszenario ansehen.

EURORAUM: KONJUNKTURAUSSICHTEN HELLEN SICH AUF, EZB STELLT ZINSSENKUNGEN IN AUSSICHT

Die jüngsten Umfragedaten deuten darauf hin, dass die Wirtschaft im Euroraum die Talsohle durchschritten haben könnte, auch wenn die Indikatoren noch schwach sind (siehe Grafik 4). Trotz des Zinsanstiegs ist es der Region gelungen, eine Rezession zu vermeiden. Dies dürfte zum Teil auf umfangreiche fiskalische Entlastungen zurückzuführen sein, aber auch der Arbeitsmarkt hat sich bislang als robust erwiesen. Dennoch belasten neben der schwachen Auslandsnachfrage und den anhaltenden geopolitischen Spannungen auch die restriktive Geldpolitik die aktuelle Konjunktur im Euroraum. Auf der anderen Seite sollten steigende Realeinkommen (aufgrund sinkender Inflationsraten) und ein weiterhin robuster Arbeitsmarkt dafür sorgen, dass die Konjunktur allmählich an Schwung gewinnt. Auch auf Seiten der schwächelnden weltwirtschaftlichen Dynamik sehen wir erste Anzeichen einer Stabilisierung, so dass wir von einer sukzessiven Verbesserung der konjunkturellen Lage im Jahresverlauf ausgehen. Für das Jahr 2024 erwarten wir einen moderaten Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Aktivität im Euroraum um 0,5 %.

Wie erwartet hat die EZB ihre Geldpolitik im März unverändert gelassen. Die Zentralbank hat ihre Inflationsprognosen sowohl für die Gesamt- als auch für die Kerninflation weiter nach unten revidiert und damit einen wichtigen Schritt in Richtung Zinssenkungen getan (siehe Grafik 4). EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte, dass der geldpolitische Rat der EZB mehr Daten, insbesondere zu den Löhnen, benötige, um Zuversicht mit Blick auf die Nachhaltigkeit des Disinflationsprozesses zu gewinnen. Sie verwies ausdrücklich auf die Juni-Sitzung, bei der die meisten dieser Informationen vorliegen werden. Wir halten daher Juni weiterhin für den wahrscheinlichsten Zeitpunkt für eine erste Zinssenkung, gefolgt von einer schrittweisen Senkung um 25 Basispunkte pro Quartal. Während der Zinssenkungszyklus von den Daten abhängen wird, deutete die EZB-Präsidentin an, dass „die restriktive Phase der EZB noch eine Weile andauern wird“, gefolgt von einer „Phase der Normalisierung“. Auch wenn es schwierig ist, diese Aussagen genau zu interpretieren, drängt sich der Eindruck auf, dass die EZB ein langsameres Tempo bei den Zinssenkungen anstrebt. Dafür sprechen mehrere Faktoren: die Widerstandsfähigkeit des Arbeitsmarktes, die das Risiko einer harten Landung der Wirtschaft verringert und die hohe Unsicherheit über die Höhe des neutralen Leitzinses, der die Wirtschaft im Euroraum im Gleichgewicht hält. Dafür spricht auch, dass die EZB die Zinsen zu einem Zeitpunkt senken dürfte, zu dem die Wirtschaft wieder anziehen sollte.

CHINA: WIRTSCHAFTLICHE ERHOLUNG SETZT SICH FORT, VOLKSKONGRESS BESTÄTIGT WACHSTUMSZIEL

Die Frühindikatoren zeigen, dass sich die chinesische Wirtschaft im Februar weiter erholt hat. Insbesondere die Einkaufsmanagerindizes für den Dienstleistungssektor deuten auf eine Beschleunigung der konjunkturellen Entwicklung hin, was angesichts der starken Zunahme des Inlandstourismus während des chinesischen Neujahrsfestes auch nicht verwunderlich ist. Ob die Erholung bei den Dienstleistern nachhaltig ist, bleibt abzuwarten. Wir halten dies zumindest ohne zusätzliche staatliche Unterstützung für unwahrscheinlich, da der private Konsum nach den Feiertagen in der Regel zurückgeht, so dass wir die jüngste Zunahme des Konsums nicht als Signal für eine nachhaltige Wachstumsunterstützung werten. Die konjunkturelle Dynamik in der Industrie hat sich nicht wesentlich beschleunigt, die Bedingungen haben sich aber auch nicht wesentlich verschlechtert. Die uneinheitlichen Daten unterstreichen die Notwendigkeit weiterer staatlicher Maßnahmen, die auch auf dem 14. Nationalen Volkskongress signalisiert wurden.

Zu Beginn des Volkskongresses verkündete der chinesische Ministerpräsident Li Qiang, dass Chinas BIP-Wachstumsziel für 2024 unverändert bei „rund 5 %“ liege. Dabei steht die Regierung einerseits vor der Herausforderung, kurzfristig Wachstum und Beschäftigung zu fördern, und andererseits vor dem langfristigen Ziel, Chinas Wachstumsmodell weg von einer übermäßigen Export- und Immobilienabhängigkeit hin zu höherwertiger Industrieproduktion und Dienstleistungen zu verlagern. Im industriellen Bereich liegt der Schwerpunkt auf Elektroautos, Wasserstoffantrieben, neuen Materialien, innovativen Arzneimitteln und der kommerziellen Luftfahrt. Besondere Aufmerksamkeit gilt weiterhin dem Immobiliensektor. Die Regierung plant, die Finanzierung von Bauträgern durch die Einführung von fast 300 städtischen Immobilienfinanzierungsmechanismen zu stabilisieren. Ministerpräsident Li rief dazu auf, eine stabile und gesunde Entwicklung des Immobilienmarktes zu fördern, ohne jedoch weitere spezifische politische Unterstützungsmaßnahmen für die Nachfrage nach neuem Wohnraum anzudeuten. Auch der Austausch alter gegen neue Konsumgüter und der Autokonsum sollen gefördert werden. China dürfte vor allem auf fiskalische Unterstützung setzen, um das Wachstum auf einem akzeptablen Niveau zu halten, während die Geldpolitik eine akkommodierende Rolle spielen und die Zinsen nur symbolisch gesenkt werden dürften. Daher ist mit weiteren staatlichen Maßnahmen zu rechnen, während die Stützung des Konsums und des Verbrauchervertrauens geringer ausfallen dürfte, weshalb wir für 2024 weiterhin mit einem BIP-Wachstum von 4,5 % rechnen.

NEUE HÖCHSTSTÄNDE AN DEN FINANZMÄRKTEN

Wie schon im Januar war die Performance der verschiedenen Anlageklassen auch in den letzten Wochen uneinheitlich. Während sich Aktien robust entwickelten, verloren Staatsanleihen. Gold, Öl und der US-Dollar entwickelten sich positiv.

Bei den Aktien setzte sich der Aufwärtstrend vom Jahresanfang in den letzten Wochen nahezu ungebremst fort, getragen von einer überwiegend positiven Berichterstattung zum vierten Quartal sowie robusten Wirtschaftsdaten und Konjunkturindikatoren, die Rezessionsängste zerstreuten und Zinssenkungserwartungen weiter in die Zukunft verschoben (Stand: 8. März). Viele wichtige Aktienindizes – S&P 500, Euro Stoxx 50, Dax und Nikkei 225 – erreichten zuletzt neue Allzeithochs. Der S&P 500 stieg von Ende Januar bis Anfang März um rund 5 %, der Euro Stoxx 50 im gleichen Zeitraum sogar um über 7 % (Stand 8. März, siehe Tabelle). Nachdem die Berichtssaison zum vierten Quartal, in der der Technologiesektor vor allem aufgrund des Hypes um künstliche Intelligenz erneut alle anderen Branchen in den Schatten stellte, abgeschlossen ist, dürfte sich der Fokus der Anleger in den kommenden Wochen auf die Ergebnisse des ersten Quartals richten.

Auf der Rentenseite litten Staatsanleihen unter der weiteren Auspreisung der für 2024 erwarteten Zinssenkungen, sowohl was den Zeitpunkt als auch das Ausmaß betrifft. Vor allem die stärker als erwartet ausgefallenen US-Inflationszahlen für Januar führten zu einem deutlichen Anstieg der Renditen von Staatsanleihen. Wurden zu Jahresbeginn noch Zinssenkungen der US-Notenbank von über 145 Basispunkten erwartet, waren es zuletzt nur noch rund 100 Basispunkte (Stand 8. März). Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg von Ende Januar bis Anfang März um 20 Basispunkte, die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen um gut 15 Basispunkte (siehe Tabelle). Die Aussagen mehrerer Notenbanker, dass vorerst keine überstürzten Zinssenkungen notwendig seien, solange sich die Inflation nicht nachhaltig in Richtung der Zielmarke von 2 % bewege, unterstützten diese Entwicklung.

Nachdem Gold in den ersten Wochen des Jahres 2024 eher seitwärts tendierte, schaltete das Edelmetall zuletzt in den Rallymodus und erreichte mit über 2.180 US-Dollar je Feinunze einen neuen Höchststand und damit ein Plus von mehr als 6 % gegenüber Ende Januar (Stand: 8. März, siehe Tabelle). Da an den Märkten erst im Juni mit einer Zinswende gerechnet wird, erscheint die aktuelle Stärke des Goldpreises auf den ersten Blick überraschend. Er dürfte vor allem von den jüngsten US-Arbeitsmarktdaten und den Äußerungen von Fed-Präsident Powell, dass die US-Notenbank wahrscheinlich noch in diesem Jahr die Zinsen senken werde, beflügelt worden sein.

Der Ölpreis zeigte in den letzten Wochen weiterhin eine erhöhte Volatilität, was die anhaltend hohe Unsicherheit am Markt widerspiegelt. Hoffnungen auf diplomatische Fortschritte zwischen Israel und der Hamas im Nahen Osten zerschlugen sich, während sich immer deutlicher abzeichnete, dass ein Großteil der kleineren OPEC-Mitgliedsstaaten die vereinbarten Förderkürzungen nicht einhalten und damit das Ölangebot auf dem Markt erhöhen. Der Ölpreis der Sorte Brent stieg im Vergleich zu Ende Januar um mehr als 4 % und lag zuletzt bei knapp über 80 US-Dollar  pro Barrel (Stand: 8. März, siehe Tabelle).

Der EUR bewegte sich in diesem Umfeld nur wenig, konnte aber zuletzt auf knapp unter 1,10 gegenüber dem USD zulegen (siehe Tabelle).

9 Unter “Soft Landing” (sanfte Landung) versteht man in der Wirtschaft üblicherweise einen zyklischen Konjunkturabschwung, der nicht in eine Rezession mündet.