Im Dialog

Unsere lokalen Chief Investment Officer (CIOs) im Austausch mit unseren Kunden

Italien

WIE SCHÄTZEN SIE DIE ENTWICKLUNG DES US-DOLLARS IM JAHR 2024 EIN?

Zu den wichtigsten Grundsätzen unserer Anlagephilosophie gehört der Aufbau von Portfolien mit globaler geografischer Ausrichtung. So können wir einerseits ein angemessenes Maß an Diversifizierung erreichen und andererseits die besten Investitionsmöglichkeiten auf der ganzen Welt nutzen.

Entsprechend gehen wir mit unseren Portfolien auch Positionen in Fremdwährungen ein, die sich aus Investitionen beispielsweise in den US-Aktienmarkt oder in Schwellenländern-Anleihen ergeben. Angesichts der großen Vielfalt an Instrumenten, die zur Verfügung stehen, insbesondere wenn Investitionen in Fonds oder ETFs getätigt werden, kann man wählen, ob man diese Instrumente währungsungesichert oder währungsgesichert einsetzt. Es handelt sich also um eine aktive Entscheidung, die auch einen erheblichen Einfluss auf die Rendite der Position und des gesamten Portfolios haben kann. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, dass das Währungsrisiko jenes Risiko ist, auf das man sich in der Regel am meisten konzentriert. Beim Aufbau eines Portfolios aus 50 gleich gewichteten US-Dollar-Instrumenten mit einer Gesamtgewichtung von 30 %, beispielsweise, hängt die Performance des Portfolios von den Bewegungen von 50 verschiedenen Kursen ab, von denen jeder einen Einfluss von 0,6 % hat. Hinzu kommt der Einfluss des US-Dollars, der jedoch mit 30% gewichtet wird. Daher ist es sinnvoll, einen Blick auf die Aussichten des US-Dollars zu werfen. Aktuell notierend bei 1,09 US-Dollar, hat er sich im Laufe des Jahres 2023 in einer Spanne von 1,05 bis 1,12 bewegt und könnte das Jahr, das er mit 1,06 eröffnet hat, mit leichten Verlusten beenden. Im Jahr 2023 hob die Fed die Zinsen weiter aggressiv an und verringerte ihre Bilanz um rund 2000 Mrd. US-Dollar. Die US-Wirtschaft wiederum hielt sich unter den Industrieländern am besten. Hinzu kamen im Laufe des Jahres eine Reihe von dramatischen Ereignissen finanzieller (Bankenzusammenbrüche in den USA und der Schweiz) oder geopolitischer (Angriff der Hamas auf Israel) Natur. All diese Faktoren hätten den US-Dollar theoretisch stützen müssen, doch sie führten nur zu einer vorübergehenden Aufwertung gegenüber dem Euro. Es gibt also offensichtlich andere, gegensätzliche Kräfte, die die Schwächung des US-Dollars vorantreiben. Versuchen wir zu analysieren, welche das sein könnten.

Die USA befinden sich in einer makroökonomischen Situation, die als Zwillingsdefizit bezeichnet wird. Das staatliche Haushaltsdefizit liegt 2023 bei 8,2% und wird für 2024 auf 7,4% geschätzt. In beiden Fällen also mehr als doppelt so hoch wie im Euroraum. Bei der Leistungsbilanz liegt das Defizit im Jahr 2023 bei 3 % und im Jahr 2024 bei 2,7 %. Der Euroraum hingegen weist aufgrund der Exportorientierung seiner wichtigsten Volkswirtschaften einen Leistungsbilanzüberschuss auf. Diese Defizite bedeuten, dass ein konstanter und erheblicher Strom von US-Dollar die US-Wirtschaft verlässt, der von ausländischen Wirtschaftsakteuren eingesammelt wird. Diese können, Aktien an den amerikanischen Börsen und US-Staatsanleihen kaufen und so einen Gegenstrom erzeugen, der den Wert des US-Dollars konstant hält. Offensichtlich ist dieser Mechanismus aber nicht im Gleichgewicht und die vorherrschende Grundbewegung ist der Verkauf von US-Dollar zugunsten anderer Währungen. Dieses Phänomen wird wahrscheinlich auch durch den Wunsch der wichtigsten Zentralbanken der Schwellenländer (China, Brasilien, Indien, Südafrika) bestimmt, ihre Währungsreserven, die traditionell in Dollar gehalten werden, in einem geopolitischen Kontext zu diversifizieren, in dem der Widerstand gegen die Hegemonie der USA immer größer wird. Es gibt nicht viele Währungen, die diese Ströme aufnehmen können, da große, diversifizierte Kapitalmärkte mit hoher Liquidität und großer Zuverlässigkeit benötigt werden. Die Finanzmärkte des Euroraums bieten diese Eigenschaften.

Die oben dargestellten Faktoren werden den EUR-USD-Wechselkurs weiterhin beeinflussen, mit einem zusätzlichen Schwächefaktor für den Dollar. Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank im Jahr 2024 die Zinsen ab dem zweiten Quartal aggressiver senken kann als die EZB, so dass die Differenz der kurzfristigen Zinssätze von derzeit 150 Bp (5,5 % Fed - 4 % EZB) auf etwa 100 Bp Ende 2024 sinken könnte (4,25 % Fed - 3,25 % EZB). Da dieses Niveau auch die Kosten für die Absicherung des Währungsrisikos für inländische Investoren bestimmt, die auf US-Dollar denominierte Instrumente kaufen, wird seine Abwertung die Absicherung wahrscheinlich attraktiver machen.

Um unsere Analyse zu vervollständigen, dürfen wir jedoch ein charakteristisches Verhalten des US-Dollars nicht außer Acht lassen: Er neigt dazu, in Korrekturphasen der amerikanischen Aktienmärkte stärker zu werden. Tatsächlich fiel die Periode der US-Dollar-Stärke im Jahr 2023 weitgehend mit einer Abwärtsbewegung an den Aktienmärkten zwischen Ende Juli und Ende Oktober zusammen.

Zusammenfassend gehen wir davon aus, dass sich der aktuelle Trend einer leichten Abschwächung des US-Dollars gegenüber dem Euro fortsetzen wird. Da wir jedoch das historische Verhalten des US-Dollars kennen, müssen wir versuchen, ein gutes Risikomanagement zu betreiben. Wenn wir Anleihen in US-Dollar kaufen, neigen wir deshalb dazu, das Wechselkursrisiko zumindest zum Teil abzusichern. Wenn wir jedoch Aktien an den US-Märkten kaufen, setzen wir uns lieber auch dem Wechselkursrisiko aus, da der Dollar im Falle einer Korrektur an den Aktienmärkten tendenziell aufwertet und somit den Gesamtrückgang der Position begrenzt.

 

Alessandro Caviglia, Chief Investment Officer Italy, UniCredit SpA

Österreich

EIN HERAUSFORDERNDES JAHR GEHT ZU ENDE!

Nach dem beispiellosen Jahr 2022 war die Hoffnung an den Finanzmärkten groß, dass sich das Jahr 2023 von einer deutlich freundlicheren Seite zeigt.

Diese Hoffnung hat sich nur zum Teil erfüllt. Zwar zeigten sich viele Volkswirtschaften erstaunlich robust gegen die immer restriktivere Geldpolitik vieler großer westlicher Notenbanken. Doch die Resilienz steht auf einem brüchigen Fundament. Während die europäische Wirtschaft in eine Rezession gerutscht ist, könnte es der US-Wirtschaft gelingen, eine weiche Landung hinzulegen und ein negatives Wirtschaftswachstum zu vermeiden. Doch noch stehen sehr viele Fragezeichen hinter diesen Annahmen. 

Die kommenden Quartale werden zeigen, wie sehr die geldpolitische Straffung die Realwirtschaft tatsächlich belasten wird. Noch profitieren viele Unternehmen von der historisch niedrigen Zinslast der letzten Jahre – für die nächsten Jahre ist mit wesentlich höheren Zinsausgaben zu rechnen. 

An den Aktienmärkten zeigte sich schon im Verlauf dieses Jahres ein sehr uneinheitliches Bild. Einige wenige Unternehmen mit KI-Bezug (die so genannten „Glorreichen Sieben“, also Amazon, Alphabet (Google), Apple, Meta (Facebook), Microsoft, Nvidia und Tesla), die ein hohes Gewicht in vielen Indizes genießen, eilten von einem Kurshöchststand zum nächsten und mutierten damit zum primären Treiber der positiven Entwicklung an den US-Börsen. Der breite Markt jedoch konnte im laufenden Jahr jedoch kaum überzeugen. Diese fehlende Marktbreite ist ungewöhnlich und birgt Risiken. Ein Blick in die Geschichte bestätigt, dass sehr einseitige Marktentwicklungen in den folgenden Jahren tendenziell eher wieder ausgeglichen werden.

Für eine positive Überraschung sorgten japanische Aktien. Ein verbessertes strukturelles Umfeld, starke Unternehmensberichte und eine günstige Bewertung haben das Interesse vieler langfristig orientierten Investoren geweckt. Getrübt wurden die deutlich höheren Erträge gegenüber anderen Aktienregionen lediglich von der schwachen Entwicklung des japanischen Yen.

Auch an den Anleihenmärkten war die Erwartung nach den Turbulenzen des vergangenen Jahres groß. Viele Anleger mussten im Jahresverlauf ihre verfrühten Zinssenkungshoffnungen begraben – zu hartnäckig war die Inflationsdynamik. Dennoch schafften die allermeisten Rentensegmente den Turnaround und erzielten im bisherigen Jahr eine leicht positive Performance. Die mittlerweile hohe laufende Verzinsung („Carry“) bietet einen ausreichenden Puffer, um leichte Renditeanstiege zu kompensieren. 

Besonders Anleihen aus Schwellenländern in lokaler Währung dürften 2023 zu den Gewinnern zählen. Viele Schwellenländer haben während der Hochinflationsphase sehr aggressiv ihre Zinsen erhöht. Der positive rückläufige Trend bei den Teuerungsraten ermöglicht vielen Zentralbanken in diesen Regionen nun eine rasche Zinswende. Erste Notenbanken haben bereits den Zinssenkungszyklus eingeläutet, mit steigenden Anleihenotierungen als logische Konsequenz.

Für das kommende Jahr bleiben wir vorsichtig optimistisch. Vor allem Zinspapiere dürften Nutznießer von aufkeimenden Zinssenkungsfantasien sein. Auch für Aktien könnte das nächste Jahr erfreulich verlaufen. Eine harte Landung der Wirtschaft dürfte vermieden werden, und niedrigere Zinsen und moderate Inflationszahlen dafür sorgen, dass sich ein aktienfreundliches Umfeld entwickelt. Risiken wie ein wieder stärker aufkeimender Preisauftrieb und ein Abgleiten der wirtschaftlichen Entwicklung in eine Rezession zählen nicht zu unserem Basisszenario. Sie müssen jedoch wachsam im Auge behalten werden. Wir wünschen all unseren Kunden ein erfolgreiches Anlagejahr 2024!

 

Oliver Prinz, Co-Chief Investment Officer of UniCredit Bank Austria AG and Schoellerbank AG

Deutschland

WELCHE IMPLIKATIONEN HAT DAS JÜNGSTE URTEIL DES BUNDESVERFASSUNGSGERICHTS, INSBESONDERE MIT BLICK AUF DIE DEUTSCHE WIRTSCHAFT?

Mitte November wurde die Bundesregierung vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts kalt erwischt: Es untersagte die Umwidmung von ursprünglich für die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie vorgesehenen Mittel in Höhe von 60 Milliarden Euro (das sind rund 1,5 % des deutschen BIP), für den Klima- und Transformationsfonds (KTF), der unter anderem Programme für mehr Klimaschutz und die Entwicklung einer klimaneutralen Wirtschaft finanzieren soll. Auch die Ansiedlung von Technologien wie Halbleiter und Batterietechnik steht im Fokus. Gleichzeitig entschieden die Richter, dass der Staat grundsätzlich keine Notkredite für spätere Jahre reservieren darf. Die Bundesregierung hatte dies jedoch in mehreren Sonderfonds (neben dem KTF auch im Wirtschaftsstabilisierungsfonds) getan, unter anderem für die Energiepreisbremsen.

In seiner Regierungserklärung machte Bundeskanzler Olaf Scholz Ende November deutlich, dass Deutschland vor “Herausforderungen, wie unsere Republik sie in dieser Konzentration und Härte wohl noch nicht erlebt hat” stehe. Er blieb aber vage bei der Frage, wie die Ampelkoalition die nächsten zwei Jahre wirtschaften will. Die Positionen liegen dabei weit auseinander: Auf der einen Seite die FDP um Finanzminister Christian Lindner, die über ihren Schatten springen und die Schuldenbremse für 2023 noch einmal aussetzen musste – seit 2020 die vierte Aussetzung in Folge. Auf der anderen Seite SPD, die nach wie vor nicht bei sozialen Ausgaben kürzen möchte, und Grüne, für die die Klimaschutzprojekte, die aus dem KTF gefördert werden sollten, nicht zur Disposition stehen. Den Ampel-Parteien dürften entsprechend lange, intensive Debatten bevorstehen, in denen sie sich über die Ausgaben und Prioritäten für 2024 und darüber hinaus einigen müssen. Scholz will nun “vorhandene Spielräume im Haushalt” ausloten, “Schwerpunkte setzen”, “natürlich auch Ausgaben beschränken”, aber auch “kraftvoll in die Modernisierung Deutschlands investieren”. Eine eindeutige Aussage, ob die Bundesregierung erneut beabsichtigt, 2024 eine Ausnahme zu erklären oder die Schuldenbremse einzuhalten, vermied er.

In ihrer aktuellen Herbstprognose rechnet die Bundesregierung damit, dass das BIP in diesem Jahr um 0,4 % sinken wird, während für das nächste Jahr bislang ein Anstieg von 1,3 % vorausgesagt wurde. Das Wegfallen der 60 Milliarden Euro könnte laut Bundesregierung für das nächste Jahr einen Rückgang des Wirtschaftswachstums um etwas mehr als 0,5 Prozentpunkte bedeuten. Auch wenn die Risiken, dass die deutsche Wirtschaft im Falle einer weiteren Straffung der Finanzpolitik in der Stagnation oder leichten Rezession stecken bleibt, zugenommen haben, erwarten wir für 2024 eine leichte Erholung mit einem BIP-Wachstum von 0,4 %. Sparmaßnahmen und fehlende Investitionen dürften das Wirtschaftswachstum dämpfen, während angesichts der Konjunkturflaute von staatlicher Seite fiskalpolitische Impulse eigentlich dringend notwendig sind. Die größere Gefahr liegt in den potenziell negativen Auswirkungen auf das längerfristige Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft – wenn die öffentlichen Investitionen nach Jahren, die bereits von zu geringen Ausgaben in den grünen Umbau des Landes geprägt waren, gekürzt werden. Denn das Beschneiden von Ausgaben für Investitionsprojekte, deren positive Effekte häufig erst (weit) in der Zukunft zu sehen sind, dürfte bei vielen Wählern auf weniger Widerstand stoßen als etwa eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge heute. Damit die Bundesrepublik nicht in eine hartnäckige Investitionskrise hineinläuft, müssen also Wege gefunden werden, wie das Land in seine Infrastruktur, die nachhaltige Transformation der Wirtschaft sowie in die Fähigkeiten seiner Bevölkerung investieren kann.

 

Philip Gisdakis, Chief Investment Officer Germany, UniCredit Bank GmbH (HypoVereinsbank)