Im Dialog

Unsere lokalen Chief Investment Officer (CIOs) im Austausch mit unseren Kunden

Alessandro Caviglia
CIO Italy, UniCredit SpA
(Italien)

Italien

Die Fed wird die Zinsen anheben. Sollten wir Anleihen verkaufen?

Nun, das kommt darauf an. Wir bekräftigen unsere langfristig positive Einschätzung von Aktien gegenüber Anleihen. Das bleibt unverändert. Gegenwind kommt derzeit vor allem von der aggressiveren Haltung der US-Notenbank Fed, die zu einer Korrektur im Technologiesektor geführt hat, und von der Null-Corona-Strategie in China, die sich nach wie vor auf die globalen Lieferketten auswirkt. Unserer Ansicht nach werden sich diese Faktoren, die die Stimmung der Anleger derzeit verhageln, als vorübergehend erweisen. Dann dürften sich die Auftriebskräfte wieder durchsetzen: eine expansive Fiskalpolitik, die Normalisierung der Pandemie- und Wirtschaftslage sowie Unternehmenszahlen, die den Erwartungen entsprechen oder diese sogar übertreffen.

Wir wissen jedoch, dass ein gewisser Anteil der von uns verwalteten Portfolios in festverzinsliche Instrumente investiert sein wird. Das liegt daran, dass wir je nach Risikoprofil der Kunden ein bestimmtes Volatilitätsniveau anstreben – und genau das ist die Aufgabe der festverzinslichen Anlagen: die Volatilität der Aktien auszugleichen und so das Gesamtrisiko des Portfolios zu verringern. Tatsache ist, dass diese „Versicherungspolice” im Laufe der Jahre immer teurer geworden ist, sind doch die nominalen Zinssätze im historischen Vergleich sehr niedrig, die realen Renditen vieler Anleihen sogar negativ.

Die jüngste „Neufestsetzung“ der US-Geldmarktkurve hat jedoch auch einen positiven Aspekt. Derzeit erwarten die Anleger von der Federal Reserve einen verschärften Zinserhöhungszyklus mit fünf Zinserhöhungen im laufenden und nicht viel weniger im kommenden Jahr. Es mag kontraintuitiv erscheinen, aber das bedeutet, dass zehnjährige Staatsanleihen ihren relativen Tiefpunkt erreicht haben könnten (in Bezug auf den Preis, den Höchststand in Bezug auf die Renditen), wenn die Federal Reserve diese Erwartungen voll erfüllt. Die Händler von festverzinslichen Wertpapieren und die Anleger am langen Ende schauen sich das potenzielle Zielniveau der Fed Funds in zwei Jahren genau an, und die aktuellen Renditen bei 10jährigen US-Staatsanleihen (Treasuries) von 1,80% entsprechen dem derzeitigen impliziten Muster. Dies hat in letzter Zeit zu einer massiven Abflachung der Kurve geführt, bei der die Renditen zweijähriger US-Staatsanleihen viel stärker gestiegen sind als die des langen Endes. Dies könnte sich in den nächsten Quartalen fortsetzen.

Eine andere Betrachtungsweise des Themas ist: Je glaubwürdiger die Fed in ihrer Inflationsbekämpfungsrhetorik ist, desto weniger müssen die Renditen längerfristiger Anleihen steigen, weil ihre Laufzeitrisikoprämie sinkt oder sich wenigstens stabilisiert. Eine gute Möglichkeit, diese Ansicht umzusetzen, sind beispielsweise Positionen in den Anlageklassen Schwellenländeranleihen und globale Hochzinsanleihen („High Yield“), die wir kürzlich von untergewichtet auf neutral hochgestuft haben. Die meisten dieser Emissionen sind in US-Dollar denominiert, daher kauft der Anleger die US-Kurve plus den Emittentenspread. Der durchschnittliche Aufschlag eines gut diversifizierten Portfolios dieser Instrumente dient als zusätzlicher Puffer für den Fall, dass die US-Kurve sich versteilert, oder er könnte die Währungsabsicherung gegenüber dem Euro finanzieren, falls der Anleger sein USD-Engagement nicht erhöhen möchte. Dies sind Beispiele für eine „gute Duration”, bei der eine Verschiebung in Richtung längerer Laufzeiten eine Erhöhung des Risikos (wegen der Duration) bei gleichzeitiger Steigerung der potenziellen Rendite bedeutet.

Anders verhält es sich bei der EUR-Kurve, bei der die Anleger keine schnelle Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank erwarten, sodass die Wette auf eine lange Duration immer noch ein stark asymmetrisches Risiko-Rendite-Profil mit sich bringt. Euro-Staatsanleihen sind ein gutes Beispiel für „schlechte Duration”.

Gute Nachrichten gibt es zumindest aus Italien, wo die Bestätigung von Sergio Mattarella als Präsident für eine zweite siebenjährige Amtszeit der derzeitigen Regierung unter Mario Draghi die Fortsetzung der Reformen und des „NEXT GEN EU“-Investitionsplans erleichtert. Die politische Stabilität wird weiterhin italienische Staatsanleihen (BTPs) unterstützen, die zu unseren bevorzugten Anlagen im Segment der Euro-Staatsanleihen gehören.

Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell sagte in seiner letzten Pressekonferenz am 26. Januar, dass die Fed “humble and nimble” sein wird. Das gilt in einem solch schwierigen Umfeld für festverzinsliche Anlagen auch für uns: Bescheidenheit und Flexibilität!

Oliver Prinz
Co-CIO Bank Austria and Schoellerbank
(Österreich)

Österreich

„Value“-Aktien – warum wertorientierte Anlagen jetzt wieder boomen

Nach den starken Kursanstiegen an den internationalen Aktienmärkten im vergangenen Jahr erleben wir seit Jahresbeginn eine Korrektur und stärkere Schwankungen. Die Sorge um einen verschärften Straffungszyklus der US-Notenbank und die hohen Bewertungen der Wachstums- bzw. „Growth“-Werte, insbesondere im Technologiesektor, strapazieren die Nerven der Anleger. Die Euphorie um Technologieaktien lässt stark nach, da steigende Leitzinsen als Belastung für hoch bewertete Wachstumsunternehmen gesehen werden.

In den letzten 15 Jahren (2006-2021) erzielten Wachstumsaktien eine überdurchschnittliche Rendite im Vergleich zu Substanz- bzw. „Value“-Aktien. Die digitale Revolution, die Allgegenwart von Technologien im täglichen Leben, günstige Marktbedingungen und nicht zuletzt die Corona-Pandemie haben zu dieser glänzenden Entwicklung des Wachstumssektors an den Börsen beigetragen, der aus heutiger Sicht allerdings deutlich überinvestiert erscheint.

Wachstumswerte zeichnen sich vor allem durch ein spürbar höher geschätztes kurz- und langfristiges Gewinn- und Umsatzwachstum aus. Rund 50% der bekannten Wachstumsindizes sind derzeit dem Technologiesektor (z.B. Apple, Microsoft) oder dem Kommunikationssektor (z.B. Alphabet, Meta (Facebook)) zugeordnet. Im Gegensatz dazu ist der Buchwert von „Value“-Titeln im Verhältnis zum Kurs deutlich niedriger als der des Gesamtmarktes. Die geschätzten Gewinne pro Aktie für die nächsten zwölf Monate erscheinen interessanter. Ein großer Teil der „Value“-Aktien sind Finanzwerte, die in den letzten 15 Jahren aufgrund der Staatsschuldenkrise, der niedrigen Zinsen und der erhöhten regulatorischen Anforderungen mit Gegenwind zu kämpfen hatten.

In den letzten Wochen war eine verstärkte Umschichtung von Wachstums- zu Substanzwerten zu beobachten. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Unserer Ansicht nach haben „Value“-Aktien aus drei Gründen Aufholpotenzial. Ein Blick auf die Bewertungen zum 31. Dezember 2021 zeigt historisch außergewöhnliche Diskrepanzen zwischen dem „Growth“- und dem „Value“-Segment. Steigende Zinsen (vorerst in den USA) geben „Value“-Titeln tendenziell Rückenwind und setzen „Growth“-Werte generell unter Druck. Positiv ist auch, dass die Mehrheit der Anleger wenig oder gar nicht im „Value“-Segment engagiert ist, sodass hier Nachholbedarf besteht. Aber es wäre natürlich falsch, alle Aktien in einen Topf zu werfen. Es gibt auch interessante Wachstumswerte, die ihre Bewertung rechtfertigen. Allerdings werden die Anleger in Zukunft sehr viel sensibler bei ihren Investitionen sein. Werden die Erwartungen verfehlt, könnten die Aktienkurse härter getroffen werden als in der jüngsten Vergangenheit.

Das Umfeld für Investitionen am Aktienmarkt wird in den kommenden Monaten also anspruchsvoller werden und der Fokus wird verstärkt auf Bewertungen, Ertragsqualität und langfristigen Wettbewerbsvorteilen der Unternehmen liegen. Ich wünsche Ihnen und uns für das Jahr 2022 viel Erfolg bei den richtigen Anlageentscheidungen.

Philip Gisdakis
CIO UniCredit Bank GmbH
(HypoVereinsbank, Deutschland)

Deutschland

Welche Perspektiven ergeben sich aus der letzten US-Notenbanksitzung?

Auf ihrer letzten Sitzung im Januar beließ die US-Notenbank ihre geldpolitische Ausrichtung zwar unverändert, signalisierte aber, den Leitzins „bald“ anheben zu wollen. In der darauffolgenden Pressekonferenz verdeutlichtet der Fed-Vorsitzende Jerome Powell dann, dass der geldpolitische Ausschuss (FOMC) bereit sei, eine erste Zinsanhebung auf der kommenden März-Sitzung vorzunehmen, vorausgesetzt die Wirtschaft entwickele sich wie erwartet. Damit bestätigt Powell die Einschätzung der Fed vom Dezember, als sie die ultralockere Politik, die in den ersten Tagen der Pandemie eingeführt wurde, als nicht länger gerechtfertigt ansah. Laut den FOMC-Mitgliedern befindet sich der US-Arbeitsmarkt in der Nähe der Vollbeschäftigung. Sorgen bereitete zudem die hohe Inflationsrate, die seit Monaten deutlich über dem Ziel der US-Notenbank von mittelfristig 2% liegt.

Zum Tempo und Ausmaß der sich anbahnenden Zinspolitik gab Powell in seiner Pressekonferenz keine verbindlichen Aussagen, ließ aber die Möglichkeit für einen aggressiveren Zinsanhebungszyklus offen. Dies könnte sowohl zügigere Anhebungsschritte (eine Zinsanhebung bei jeder Fed-Sitzung anstelle jeder zweiten) als auch größere Zinsanhebungsschritte (Anhebungen von 50 anstelle von 25 Basispunkten) beinhalten. Anderseits lassen Powells Äußerungen aber auch die Möglichkeit zu, die geldpolitischen Zügel weniger straff anzuziehen, sollten sich plötzlich Abwärtsrisiken ergeben. Aktuell preisen die Finanzmärkte fünf Zinsanhebungen von je 25 Basispunkten in diesem Jahr ein.­ Wir gehen derzeit von vier Anhebungen aus – mit jeweils einem Anstieg pro Quartal. In der letzten Veröffentlichung ihres „Dot-Plots“ im Dezember, der die durchschnittlichen Leitzinserwartungen der einzelnen FOMC-Mitglieder widerspiegelt, erwartete die Fed drei Zinsschritte im Jahr 2022.

Hinsichtlich der rund 9 Billionen US-Dollar schweren US-Notenbankbilanz plant der FOMC nun zwei Schritte vorzunehmen: Erstens hält er an seinem bisherigen Zeitplan fest, die Nettozukäufe von Staats- und Hypothekenanleihen im Rahmen seines monatlichen Anleihekaufprogramms „Anfang März“ beenden zu wollen, was de facto das Ende von „Quantitative Easing“ (QE) bedeutet. Daraus lässt sich ablesen, dass sich die Fed zuletzt nicht mehr oder weniger Sorgen um die Eindämmung der hohen Inflation gemacht hat als im Dezember. Zweitens signalisierte der Ausschuss, den Bestand der US-Notenbank an Anleihen zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Beginn der Zinserhöhungen reduzieren zu wollen („Quantitative Tightening“). In seiner Pressekonferenz gab Powell keinen Hinweis darauf, wann genau dies der Fall sein wird, da auch der FOMC diese Entscheidung noch nicht getroffen hat. Er verwies jedoch darauf, dass die Reduzierung der Bestände „geordnet und vorhersehbar“ erfolgen wird und dass „die nächste und mindestens eine weitere“ Sitzung nötig seien werden, um die erforderlichen Details auszuarbeiten. Wir gehen davon aus, dass die Fed mit dem Abbau ihrer Anleihebestände im vierten Quartal dieses Jahres beginnen wird, wobei nach den letzten Äußerungen von Powell auch ein Quartal früher möglich wäre.

Inwieweit sich die an den Märkten abzeichnenden aggressiven Prognosen für weitere Zinssteigerungen tatsächlich einstellen werden, bleibt abzuwarten. Powell hatte in seiner Pressekonferenz explizit darauf verwiesen, dass der geldpolitische Kurs der Fed „flexibel“ sein werde. Ein aggressiverer Zeitplan für Zinserhöhungen dürfte dann gerechtfertigt sein, wenn die Glaubwürdigkeit der Fed aufgrund erhöhter Inflation und Inflationserwartungen gefährdet ist. Sollte sich dagegen die Inflation in diesem Jahr nachhaltig abschwächen, dürfte sich auch die Wahrscheinlichkeit eines aggressiveren Zinssteigerungsszenario verringern. Bis dahin werden Aktien – insbesondere aus dem Technologiesektor – jedoch weiterhin anfällig für Äußerungen der „hawkischeren“ FOMC-Mitglieder bleiben.