CIO Kommentar

Umfeld für ein erfreuliches Jahr 2024 erscheint weiterhin intakt

Die Aktienmärkte in den Industrienationen sind vergleichsweise positiv in das Jahr 2024 gestartet. Europäische Aktien, gemessen am entsprechenden MSCI-Index sind in den ersten beiden Monaten um 3,3 % gestiegen, nordamerikanische sogar um 6,3 % und Aktien der Industrienationen des Pazifikraums um etwa 4 %; lediglich der Schwellenländerindex ist nach wie vor im negativen Bereich, bei -0,3 % (siehe Tabelle).

Innerhalb Europas zeigen sich im Übrigen spürbare Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Unter den großen Ländern führen britische und italienische die Liste an, während spanische Aktien (mit negativer Performance) zurück liegen. Französische und deutsche Aktien lagen im Januar und Februar in etwa gleich auf, beide etwas über dem europäischen Durchschnitt. Insbesondere deutsche Kunden zeigen sich angesichts der eher eingetrübten Stimmung im Land mitunter verwundert von der starken Entwicklung unter deutschen Aktien. Die Bundesregierung hat ihre eigene Wirtschaftsprognose kürzlich deutlich reduziert, auf eine nunmehr nur noch knapp positive Wachstumserwartung für 2024. Nüchtern betrachtet erscheint die robuste Aktienentwicklung zu Beginn des Jahres allerdings erklärbar. Konsensusschätzungen1 erwarten moderate Gewinnsteigerungen und eine ebensolche Beschleunigung der Wirtschaftsaktivität sowie eine stabile globale Wirtschaftsentwicklung2. Somit lässt sich auch ein moderater Anstieg der Kurs-Gewinn-Verhältnisse, die im vergangenen Jahr auf Rezessionsniveau lagen, durchaus vertreten.

Im Lichte des vergangenen Jahres, als ein starker Jahresstart zu einer erfreulich hohen Gesamtjahresperformance führte, stellen uns viele Kunden aktuell die Frage, ob man angesichts des erneut achtbaren Jahresstartes mit einer soliden Gesamtjahresperformance rechnen könne. In der Tat lassen sich für die vergangenen 25 Jahre einige interessante statistische Zusammenhänge erkennen. Hierzu stellen wir für den MSCI Europe und den MSCI North America für jedes Jahr seit 1999 die jeweilige kumulierte Kursentwicklung von Januar und Februar der entsprechenden Gesamtjahresentwicklung gegenüber. Für Europa zählen wir 14 (von 25 Jahren) mit einer positiven Januar-Februar-Kursentwicklung. In 12 von diesen 14 Jahren gab es eine positive Gesamtjahresentwicklung. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Gesamtjahresentwicklung in nur 2 von 14 Jahren3 mit einem positiven Jahresstart in den ersten beiden Monaten negativ war. Der Mittelwert der Jahresperformance für die 12 Jahre mit positiven Jahresstart und gefolgt von einer positiven Gesamtjahresperformance betrug 15,5 %. Die Januar-Februar-Performance machte davon etwas mehr als die Hälfte der Gesamtjahresperformance aus. Im Falle eines negativen Jahresstarts (11 von 25) betrug die durchschnittliche Gesamtjahresperformance im Übrigen -7 %. Für die USA sieht die Analyse ähnlich aus. In 13 von 25 Jahren gab es einen positiven Jahresauftakt, in 10 Jahren davon war auch die Gesamtjahresperformance positiv und betrug dann im Mittel fast 20 %. Lediglich der Anteil der Januar-Februar-Performance an der Gesamtjahresentwicklung war spürbar niedriger als in Europa, bei etwa 25 %. Und die mittlere Gesamtjahresentwicklung in Jahren mit einer negativen Jahresauftakt lag nur bei -1 %. Wichtig dabei ist, dass es sich hier um eine rein statistische Betrachtung handelt, deren Prognosegüte für ein konkretes Jahr begrenzt ist.

Der starke Jahresstart nordamerikanischer Aktien wirft noch eine weitere statistische Frage auf, denn er wird wie die starke Gesamtjahresentwicklung 2023 spürbar von wenigen sehr großen Unternehmen getragen. Zieht man beispielsweise die 500 größten US-amerikanischen Aktiengesellschaften heran, trugen die zehn größten Titel in den ersten beiden Monaten des Jahres die Hälfte der Gesamtperformance bei. Mit anderen Worten: Der (hypothetische) S&P 490 hätte im Schnitt nur die Hälfte der Performance des S&P 500. Dabei beträgt das Gewicht der zehn größten Aktien etwa ein Drittel (gemessen an der Marktkapitalisierung). Interessanterweise war die Performanceverteilung im vergangenen Jahr sehr ähnlich: Der Gesamtindex hatte in etwa die doppelte Performance wie der hypothetische Index ohne die zehn größten Aktien. Einen bemerkenswerten Unterschied gibt es aber: Während im vergangenen Jahr alle zehn größten Einzeltitel eine positive Kursentwicklung hatten, weisen zu Beginn dieses Jahres zwei Aktien eine negative Entwicklung auf. In Europa sind die Performance-Unterschiede nach Unternehmensgröße weniger stark ausgeprägt. Für Investments in US-Aktien stellt sich aber die Frage, ob angesichts der robusten Gesamtkonjunktur in den USA die Performancebeiträge der Unternehmen unterhalb der zehn größten Titel nicht zunehmen könnten und insbesondere solche Portfolios, die stark von der Performance der Spitzenwerte profitiert haben, nicht etwas verbreitert werden sollten.

Mit Blick auf mögliche transatlantische Divergenzen erscheinen sowohl die Konjunktur als auch die Chancen auf Gewinnwachstum mittelfristig – also das Jahr 2025 einbeziehend – für die USA günstiger als für Europa. Hinzu kommt, dass eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident (siehe Fokus-Teil) mögliche negative Konsequenzen für europäische Unternehmen nach sich ziehen könnte. Während europäische Anleger US-Investments nicht außer Acht lassen sollten, erscheint ein gewisses Maß an Vorsicht angemessen: Aktuell befindet sich die US-Konjunktur noch in einem Abkühlungstrend. Das bedeutet, dass die Quartalswachstumsraten in den USA bis mindestens Mitte des Jahres sukzessive abnehmen dürften. Eine echte Rezession mit negativen Wachstumsraten dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach aber ausbleiben. In der zweiten Jahreshälfte könnten sich die US-Wachstumsraten auch wieder beschleunigen. Mögliche Wechselkurseffekte sollten Anleger bei ihren Investments in den USA aber immer im Auge behalten. Denn der erwartete Zinssenkungszyklus könnte die Zinsdifferenz zwischen dem US-Dollar und dem Euro reduzieren, was zu einer Abschwächung des US-Dollar gegenüber dem Euro führen könnte. Darüber hinaus könnten politische Maßnahmen einer möglichen Trump-Präsidentschaft auf eine Abschwächung des US-Dollar abzielen, mit dem Ziel, die US-amerikanische Exportwirtschaft zu unterstützen. Eine bedachtsame Anlagepolitik erscheint aus diesen Gründen angemessen.

Mit Blick auf die Frage der Gewichtung von zyklischen und defensiven Branchen im Portfolio beobachten wir, dass zyklische Werte (d.h. Unternehmen, deren Kurs sich mit dem Wirtschaftszyklus bewegt) im vergangenen Jahr trotz der starken Aktienkursanstiege eher im mittleren und unteren Bereich der „Erfolgstabelle“ waren. Könnte sich das im aktuellen Jahr ändern, d.h. könnten zyklische Branchen vermehrt auf Interesse der Anleger stoßen? Denkbar erscheint dies durchaus. Allerdings wäre aus unserer Sicht eine wiedererstarkende Weltwirtschaft eine wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Outperformance zyklischer Sektoren. Zurzeit befinden sich die USA – derzeit die Wachstumslokomotive der Welt – aber noch im Abkühlungsmodus. Nach unserem Ermessen wäre deswegen die Bestätigung der Bodenbildung bezüglich der US-Konjunktur eine wünschenswerte Voraussetzung, um Investmentportfolios deutlich zyklischer zu gestalten. Sie könnte im zweiten Halbjahr möglicherweise erfüllt sein.

Zu guter Letzt noch ein Blick auf die Rentenmärkte, die sich zum Jahresauftakt gegensätzlich zu den Aktienmärkten entwickelt haben. Während Aktien einen soliden Start hinlegten, waren die Kurse von Rentenpapieren im Rückwärtsgang. Grund dafür war die übertriebene Euphorie zum Ende des vergangenen Jahres, in der die Märkte auf zu schnelle und zu starke Zinssenkungen setzten. Diese notwendige Anpassung an die Realitäten einer insbesondere in den USA immer noch überraschend robusten Wirtschaft scheint nun weit vorangeschritten. Und die Zentralbanken signalisieren, dass der Beginn des erwarteten Zinssenkungszyklus näherkommt. Fundamental würden Zinssenkungen, bei gleichzeitig robuster Wirtschaftsentwicklung und sich weiter normalisierender Inflation, wohl positive Impulse sowohl für Renten als auch für Aktien bedeuten. Dennoch kann eine gewisse Volatilität bei Aktien rund um den zu erwartenden Start des Zinssenkungszyklus, insbesondere nach dem starken Jahresauftakt, nicht ausgeschlossen werden. Das Umfeld für ein erfreuliches Gesamtjahr für sogenannte Multi-Asset-Portfolios erscheint aber nach wie vor intakt.

 


Manuela D’Onofrio, Head of Group Investment Strategy
Philip Giskdakis, Chief Investment Officer Germany, UniCredit Bank GmbH (HypoVereinsbank)
Alessandro Caviglia, Chief Investment Officer Italy, UniCredit SpA
Oliver Prinz, Co-Chief Investment Officer of UniCredit Bank Austria AG and Schoellerbank AG

1 Die Konsensus-Schätzung ist der Median in der Verteilung der einzelnen Schätzungen. Der Median ist der Wert, der genau in der Mitte einer Datenreihe liegt, die nach der Größe geordnet ist. Er halbiert die Datenreihe, sodass eine Hälfte der Daten unterhalb und die andere Hälfte oberhalb des Medians in der geordneten Reihe liegt.

2 Die großen deutschen Aktiengesellschaften sind zumeist multinationale Konzerne mit einer starken Exportorientierung, für deren wirtschaftliche Aussichten die Weltkonjunktur relevanter ist als die Binnenwirtschaftliche Lage

3 Bei diesen beiden negativen Jahren mit einem positiven Jahresstart und einer negativen Gesamtjahresperformance handelt es sich um das Jahr 2000 mit dem Beginn des Platzens der Dotcom-Blase und das Jahr 2011 in dem die beginnende europäische Staatsschuldenkrise die europäischen Indices belastete.