Unsere Anlagestrategie

Defensiv – aber bereit, die nächsten Anlagechancen zu nutzen

Im ersten Halbjahr konnte das traditionelle globale Vermögensportfolio die Anleger aufgrund der positiven Korrelation zwischen Anleihen und Aktien nicht schützen. Beide Anlageklassen wurden durch Inflations- und Wachstumssorgen belastet (siehe Grafik 10).

Was das Wirtschaftswachstum betrifft, so ist eine globale Rezession zwar nicht unser Basisszenario, aber die Wahrscheinlichkeit eines spürbaren Abschwungs ist in den letzten Wochen gestiegen. Am 12. Juli fiel der Abstand zwischen den Renditen zwei- und zehnjähriger US-Staatsanleihen, einer der meistbeachteten Indikatoren für das Rezessionsrisiko, auf nahezu -10 – ein Niveau, das zuletzt 2007 erreicht wurde (siehe Grafik 11).

Neben den USA sehen wir auch in der Eurozone die Gefahr einer deutlicheren wirtschaftlichen Abschwächung, da hier die Auswirkungen der Energiepolitik und die Abhängigkeit von Russland deutlicher zutage treten. In Deutschland erwägt die Regierung sogar eine staatliche Rettung der angeschlagenen Energieversorger, um dem Problem der von Russland gedrosselten Gaslieferungen zu begegnen. Mit anderen Worten: Das Rezessionsrisiko für die Eurozone basiert zum einen auf einer restriktiven Geldpolitik (wie in den USA) und zum anderen auf möglichen Gasrationierungen, insbesondere in Deutschland und Italien.

Die Gewinnwachstumsprognosen der Unternehmen (siehe Grafik 12) erscheinen uns daher immer noch zu hoch, weswegen wir von weiteren Revisionen ausgehen. Finanzanalysten neigen nämlich dazu, ihre Gewinnschätzungen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zu korrigieren, nachdem sie die Aussagen des Top-Managements abgewartet haben.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist die aktuelle Gewinnsaison für das zweite Quartal ein bedeutender Gradmesser, insbesondere hinsichtlich der Gewinnprognosen der Unternehmen. Entscheidend wird sein, ob letztere noch genügend Preissetzungsmacht haben, um ihre Margen angesichts rekordhoher Inflationszahlen zu halten.

Wir gehen davon aus, dass die Aktienmärkte über den Sommer hinweg volatil bleiben werden (siehe Grafik 13). Bisher waren “Bärenmarkt-Rallies” zu beobachten, aber noch nicht die Phase, die einer nachhaltigen Aktienmarkterholung vorausgeht: die so genannte “Kapitulationsphase”, die durch eine Aktienvolatilität von mehr als 40% und einen starken Geldabfluss aus Aktien gekennzeichnet ist. Tatsächlich war im bisherigen Jahresverlauf noch kein signifikanter Aktien-Ausverkauf zu beobachten, außer in geringem Umfang bei Long-only-Fonds12 (siehe Tabelle 14).

Auf der Aktienseite bleiben wir bei unserer neutralen Positionierung mit einer globalen geografischen Ausrichtung, da wir europäische und Schwellenländer-Aktien unlängst von übergewichtet auf neutral herabgestuft haben. Mittel- bis langfristig könnten sich durchaus nachhaltige Kaufgelegenheiten bei Aktien ergeben, vor allem bei Wachstumswerten, und insbesondere bei Tech-Unternehmen mit langer Duration, sobald die Fed ihre geldpolitische Straffung zurücknimmt. Kurzfristig bleiben wir bei unserer Ausrichtung auf Qualität und konzentrieren uns auf die Branchen Pharma, Basiskonsumgüter und Energie sowie generell auf Unternehmen mit höherer Preissetzungsmacht und hohem Cashflow.

Bei Anleihen sind wir der Meinung, dass sie wie Aktien das Szenario einer harten Landung noch nicht vollständig eingepreist haben. Wir glauben, dass die Kreditspannen von Unternehmensanleihen (siehe Grafik 15) anfällig für eine weitere Ausweitung und steigende Kreditausfallraten sind.

Andererseits sehen wir bereits erste Einstiegspunkte bei US-amerikanischen und europäischen Staatsanleihen (siehe Grafik 16), bei denen wir die Untergewichtung gegenüber der Benchmark reduziert und die Duration schrittweise erhöht haben. Wir glauben, dass die Märkte ein zu aggressives Vorgehen der EZB einpreisen, da sich Europa mit etwas anders gelagerten Ursachen der hohen Inflationsraten (vor allem energiepreisgetrieben), dafür aber höheren geopolitischer Abwärtsrisiken konfrontiert sieht. Selbst in den USA, wo die Kerninflation (5,9% gg. Vj. im Juni) deutlich über der Kerninflation der Eurozone liegt, wird die Fed unserer Einschätzung nach nicht alle ihrer vorgesehenen Zinserhöhungen (Dot-Plot) vornehmen. Wir gehen bislang davon aus, dass die US-Notenbank im ersten Halbjahr 2023 eine Pause in ihrem Straffungszyklus einlegen und die Zinsen bis Ende nächsten Jahres womöglich wieder senken wird.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir kurzfristig ein schwieriges und volatiles Umfeld für Finanzinvestoren erwarten, jedoch mit der Möglichkeit eines langsamen Comebacks der negativen Korrelation zwischen Staatsanleihen und Aktien rechnen. Zumindest könnte sich das traditionelle, global ausgewogene Portfolio nach dem schlechtesten ersten Halbjahr seit Jahrzehnten wieder rechnen. Und Staatsanleihen könnten sich im Falle einer ausgeprägten globalen Konjunkturabschwächung als wertvolle Absicherung erweisen, vorausgesetzt, die Inflation erreicht ihren Höhepunkt und geht in den nächsten Monaten nachhaltig zurück. Wir werden die Inflationsdynamik sowohl in den USA als auch in der EU weiterhin genau beobachten. Anleger sollte sich bereithalten, um die nächsten sich bietenden Anlagechancen wahrzunehmen.

Unsere Anlagestrategie im Überblick

AKTIEN

Aktien global: Neutral

Geringeres globales Wachstum und potenziell negative Gewinnrevisionen. Mittel- bis langfristige Anlagemöglichkeiten aufgrund der günstigeren Bewertung.

Aktien Europa: Neutral

Europäische Aktien sind dem steigenden Risiko einer sich abschwächenden wirtschaftlichen Entwicklung bei gleichzeitig höheren Inflationsraten sowie einer restriktiveren Geldpolitik durch die EZB ausgesetzt. Zudem ist der Euroraum am stärksten vom Krieg zwischen Russland und der Ukraine betroffen. Längerfristig dürfte sie aber von höheren Investitionen in der Energie- und Verteidigungsindustrie profitieren.

US-Aktien: Neutral

Ein insgesamt noch solides Wirtschaftswachstum stützt, die aggressivere, „hawkishere“ Gangart der Fed belastet. Die jüngste Korrektur im Verbund mit einer positiven Berichtssaison eröffnet kurzfristig selektive Kaufgelegenheiten.

Schwellenländer-Aktien: Neutral

Wir stufen Schwellenländeraktien aufgrund geringeren globalen Wachstums und sinkender Liquidität infolge der restriktiven Politik der Fed und des stärkeren US-Dollars als neutral ein. Bei den Schwellenländern wird eine selektive Auswahl der Länder und Sektoren dringend empfohlen.

Asien-Pazifik-Aktien (Entwickelte Märkte): Neutral

Japanischen Aktien werden durch die schwächere wirtschaftliche Entwicklung belastet; der Export wird durch schwächeren Yen gestützt.

RENTEN

Renten Global: Untergewichten

Festverzinsliche Wertpapiere sind anfällig für hohe Inflation und steigende Zinssätze.

Euro Investment Grade-Unternehmensanleihen: Übergewichten

Wir verstärken unsere selektive und defensive Ausrichtung.

Hochverzinsliche Unternehmensanleihen: Neutral

Interessante Renditedifferenziale („Carry Plays“) stützen, aber anfällig für Szenarien einer harten Landung und geringerer Liquidität. Wir verstärken unsere selektive und defensive Ausrichtung.

Europäische Staatsanleihen (EWU): Untergewichten

EWU-Staatsanleihen sind anfällig für eine Straffung durch die EZB, aber wir reduzieren die Untergewichtung und erhöhen schrittweise die Duration des Staatsanleihenportfolios.

Nicht-EWU-Staatsanleihen: Neutral

Wir sehen langfristige Anlagemöglichkeiten in US-Staatsanleihen, die hartnäckige US-Inflation legt aber ein graduelles Vorgehen nahe.

Schwellenländer-Anleihen: Übergewichten

Die Suche nach Rendite unterstützt unsere positive Haltung. Eine straffere Fed sowie der Inflationsdruck in den Schwellenländern lassen aber eine defensive und selektive Haltung ratsam erscheinen.

Geldmarkt/Liquidität: Übergewichten

Geldmarktanlagen erscheinen als Absicherung gegen die gestiegene Unsicherheit (Risikostreuung) und zum „Parken“ von Liquidität derzeit sinvoll.

Alternative Anlagen: Neutral

Solche Anlagen bieten Diversifikationspotenzial für das Portfolio.

Rohstoffe

Rohstoffe sind eine spätzyklische Anlageklasse, die von der globalen Erholung und – vor allem bei fossilen Energieträgern und einigen Metallen – von den gestiegenen geopolitischen Spannungen profitieren.

Gold: Übergewichten

Gold sollte seine Rolle als „sicherer Hafen“ zur Inflationsabsicherung und gegen Unsicherheiten immer wieder entfalten können.

WÄHRUNGEN

EUR-USD: Untergewichten

Die Flucht in Qualität im derzeitigen Risk-off-Umfeld und eine restriktivere Fed stützen den US-Dollar.

Entwicklung ausgewählter Finanzmarktindizes

Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Wertentwicklung. Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Die Rendite bei Anlagen in Fremdwährungen kann auch infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Um die Entwicklung von Staatsanleihen in einem festen Laufzeitbereich abzubilden, werden so genannte synthetische Anleihen berechnet. Dabei wird jeweils die zum relevanten Zeitpunkt „passendste“ reale (echte) Bundesanleihe herangezogen und als Referenz für die Renditechance der synthetischen Anleihe genommen. Abgebildet ist die Entwicklung der erwarteten Rendite bis zur Endfälligkeit (Yield to maturity) unter folgenden Voraussetzungen: bedingungsgerechte Bedienung der Zinszahlungen und Einlösung sowie Halten bis Endfälligkeit. Insoweit handelt es sich um eine Renditechance. Die Renditechancen spiegeln die unterschiedlichen Risikoeinschätzungen der Anleger zu den jeweiligen Produkten bzw. Ländern wieder (höhere Renditechance=höhere Risikoeinschätzung). Die synthetischen Anleihen können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei Währungen und Rohstoffen sind anfallende Erwerbs- und/oder Verwahrkosten nicht berücksichtigt. Quelle: Refinitiv Datastream.

12 Long-Only-Fonds sind Fonds, die mit der Strategie verwaltet werden, nur Long- und keine Short-Positionen einzugehen.