Unsere Anlagestrategie

Steigende Stagflationsrisiken erfordern ein defensiveres Vorgehen

Die letzten sechs Wochen waren geprägt von der Sorge über eine Verlangsamung des weltweiten Wachstums mit dem Risiko einer Stagflation in Europa, einem Wachstumseinbruch in China, einer Abschwächung, ja Rezession in den USA sowie der Sorge um eine steigende Inflation. Da die Inflation in den USA und in Deutschland 40-bzw. 50-Jahres-Höchststände erreicht hat, sehen sich die Fed und die EZB gezwungen, die Zinssätze spürbar zu erhöhen, während die Volkswirtschaften Anzeichen einer Verlangsamung zeigen und sich das monetäre und finanzwirtschaftliche Umfeld verschlechtert. Die Abschwächung des globalen Wachstums verheißt auch für die Unternehmensgewinne nichts Gutes. Wir meinen allerdings, dass die aktuellen Schätzungen für das Gewinnwachstum (noch) nicht das Szenario einer harten Landung bzw. eine Rezession reflektieren (siehe Grafik 11).

Das Rezessionsszenario ist nicht unser Basisszenario, denn die Bilanzen von Haushalten und Unternehmen sind nach wie vor gesund. Aber die damit verbundenen Risiken haben sich erhöht, da eine hartnäckigere Inflation die Zentralbanken zwingt, aggressiver zu reagieren. Das ist ein Risiko für unser Basisszenario einer weichen Landung.

Mit anderen Worten: Die Aktienmärkte dürften in den nächsten Monaten volatil bleiben (siehe Grafik 12), auch wenn die Vergangenheit zeigt, dass die Fed durchaus in der Lage ist, eine weiche Landung zu orchestrieren.

Erfreulicherweise gibt es diesmal, anders als während der globalen Finanzkrise, keine größeren strukturellen Ungleichgewichte bei der Verschuldung von Haushalten und Unternehmen (siehe Grafiken 13A/13B). Dies bedeutet auch, dass der wirtschaftliche Abschwung von geringerer Intensität und Dauer sein könnte als bei der globalen Finanzkrise und anderen früheren Rezessionen.

Die Kombination aus geringerem globalen Wachstum, steigenden Zinsen und sinkender Liquidität hat uns dazu veranlasst, Aktien von der bisherigen Übergewichtung auf neutral herabzustufen. Relativ gesehen verringern auch die steigenden Renditen von Staatsanleihen, insbesondere in den USA, die Attraktivität von Aktiendividenden – trotz der jüngsten Aktienkurskorrektur.

In Bezug auf die regionale Aktienallokation stufen wir sowohl europäische als auch Schwellenländer-Aktien von übergewichten auf neutral zurück. Die Herabstufung europäischer Aktien ist durch die Konjunkturabschwächung aufgrund der Folgen des Ukraine-Kriegs (höhere Rohstoffpreise, höhere Inflation), der Verschlechterung der Gewinnrevisionsquote und des restriktiveren Vorgehens der EZB gerechtfertigt. Es besteht indes die Gefahr, dass die EZB die Zügel zu stark anzieht, da die Inflationsdynamik im Euroraum eher angebots- bzw. energiepreisgetrieben ist, während sie in den USA angesichts des gesunden US-Arbeitsmarktes auch nachfragegetrieben ist. Auf der anderen Seite erwarten wir positive Effekte von den fiskalischen Maßnahmen der EU zur Finanzierung von Investitionen in Energie und Verteidigung, etwa nach dem Beispiel des SURE-Programms, das ein soziales Sicherheitsnetz in den von der Pandemie betroffenen Ländern aufspannt. 

Schwellenländer-Aktien werden durch das geringere globale Wachstum und die sinkende Liquidität infolge der restriktiven Politik der Fed und der Aufwertung des US-Dollars belastet. Auch der zunehmende Fokus der Anleger auf Nachhaltigkeitskriterien (ESG)21 macht die Unternehmen der Schwellenländer weniger attraktiv als die US-amerikanischen und europäischen Unternehmen. Wir sind der Ansicht, dass die attraktiven Bewertungen in den Schwellenländern im Vergleich zu anderen geografischen Regionen – abgesehen von einer kurzfristigen Entspannung durch die Lockerung der Corona-Beschränkungen in China – erst dann voll zur Geltung kommen, wenn die Fed ihre restriktive Haltung aufgibt und die Weltwirtschaft wieder anzieht. Wir bleiben neutral gegenüber US-Aktien, die durch relativ bessere Wachstumsaussichten und eine robuste Ertragslage unterstützt werden. Bei der Allokation nach Sektoren und Anlagestilen agieren wir vorerst defensiv und qualitätsorientiert. Wir konzentrieren uns auf die Branchen Pharma, Basiskonsumgüter und Energie sowie auf Unternehmen mit höherer Preissetzungsmacht und hoher Cashflow-Generierung bzw. hohen Dividendenrenditen.

Eine hartnäckige Inflation unterstützt unsere Untergewichtung globaler Anleihen, wobei wir Unternehmensanleihen und selektiv Anleihen aus Schwellenländern bevorzugen. Langfristige Anlagechancen sehen wir in US-Staatsanleihen, mit einem ersten Einstiegspunkt im Bereich einer Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen von 3%. Bei Euro-Staatsanleihen bleiben wir untergewichtet, beobachten aber die Einstiegspunkte genau, da die Inflationsdynamik weniger strukturell ist als in den USA und das Wirtschaftswachstum anfälliger ist. Darüber hinaus erhöhen wir schrittweise die Duration des Staatsanleihenportfolios.

Die Spread-Ausweitung bei hochverzinslichen Unternehmensanleihen berücksichtigt bereits eine weiche Landung, nicht aber ein US-Rezessionsszenario, bei dem die Ausfallraten auf bis zu 10% steigen dürften. Außerdem sind hochverzinsliche Unternehmensanleihen anfällig für einen geringeren Liquiditätswettbewerb.

Bei Schwellenländeranleihen bleiben wir angesichts der restriktiven Geldpolitik der Fed und des Rückgangs der globalen Liquidität selektiv und bevorzugen qualitativ hochwertige Carry-Trades sowohl bei Anleihen in Hart- als auch in Lokalwährungen.

Gold bietet weiterhin Möglichkeiten zur Portfolioabsicherung, während der USD durch die restriktive Geldpolitik der Fed gestützt wird, aber aus fundamentaler Sicht überbewertet erscheint (Kaufkraftparität).

UniCredit Group Investment Strategy – Asset Allocation

 

Aktien

Aktien global: Neutral (zuvor: Übergewichten)

Wir stufen globale Aktien aufgrund des geringeren globalen Wachstums und negativer Gewinnrevisionen auf neutral herab.

Aktien Europa: Neutral (zuvor: Übergewichten)

Wir nehmen europäische Aktien aufgrund des zunehmenden Risikos einer Stagflation und der restriktiveren EZB auf neutral zurück. Zudem ist der Euroraum am stärksten vom Krieg zwischen Russland und der Ukraine betroffen. Längerfristig dürfte sie aber von höheren Investitionen in der Energie- und Verteidigungsindustrie profitieren.

US-Aktien: Neutral

Ein insgesamt noch solides Wirtschaftswachstum stützt, die aggressivere, „hawkishere“ Gangart der Fed belastet. Die jüngste Korrektur im Verbund mit einer positiven Berichtssaison eröffnet kurzfristig selektive Kaufgelegenheiten.

Schwellenländer-Aktien: Neutral (zuvor: Übergewichten)

Wir stufen Schwellenländeraktien aufgrund geringeren globalen Wachstums und sinkender Liquidität infolge der restriktiven Politik der Fed und des stärkeren US-Dollars auf neutral herab. Bei den Schwellenländern wird eine selektive Auswahl der Länder und Sektoren dringend empfohlen.

Asien-Pazifik-Aktien (Entwickelte Märkte): Neutral

Japanischen Aktien werden durch die anhaltende, wenn auch schwächere globale Erholung, die heimischen fiskalischen Anreize und den schwächeren Yen unterstützt.

Renten

Renten Global: Untergewichten

Festverzinsliche Wertpapiere sind anfällig für hohe Inflation und steigende Renditen von Staatsanleihen.

Euro Investment Grade-Unternehmensanleihen: Übergewichten

Wir bevorzugen nachrangige Finanzanleihen, da die europäischen Bankenpapiere über einen größeren Kapitalpuffer und eine kürzere Laufzeit verfügen.

Hochverzinsliche Unternehmensanleihen: Neutral

Interessante Renditedifferenziale („Carry Plays“) stützen. Die kürzere Duration gegenüber Euro-Staatsanleihen und Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen ist angesichts der Erwartung einer Normalisierung der Zinssätze ein Vorteil. Ihre geringere Liquidität sollte im Falle weiterer Marktturbulenzen beachtet werden.

Europäische Staatsanleihen (EWU): Untergewichten

EWU-Staatsanleihen sind anfällig für die Straffung durch die EZB, aber wir reduzieren die Untergewichtung und erhöhen schrittweise die Duration des Staatsanleihenportfolios.

Nicht-EWU-Staatsanleihen: Neutral

Wir sehen langfristige Anlagemöglichkeiten in US-Staatsanleihen, die hartnäckige US-Inflation legt aber ein graduelles Vorgehen nahe.

Schwellenländer-Anleihen: Übergewichten

Die Suche nach Rendite unterstützt unsere positive Haltung. Eine straffere Fed sowie der Inflationsdruck in den Schwellenländern aber lassen eine defensivere und selektivere Haltung ratsam erscheinen.

Geldmarkt/Liquidität: Übergewichten

Geldmarktanlagen scheinen als Absicherung gegen die gestiegene Unsicherheit (Risikostreuung) und zum „Parken“ von Liquidität derzeit erwägenswert.

Alternative Anlagen: Neutral

Solche Anlagen bieten Diversifikationspotenzial. Sachwerte profitieren von ihrer Rolle als Instrumente der Inflationsabsicherung.

Rohstoffe

Rohstoffe sind eine spätzyklische Anlageklasse, die von der globalen Erholung und – vor allem bei fossilen Energieträgern und einigen Metallen – von den gestiegenen geopolitischen Spannungen profitieren.

Gold: Übergewichten

Gold sollte seine Rolle als „sicherer Hafen“ zur Inflationsabsicherung und gegen Unsicherheiten immer wieder entfalten können. 

Währungen

EUR-USD: Untergewichten

Die Flucht in Qualität und eine restriktivere Fed stützen den US-Dollar. 

Entwicklung ausgewählter Finanzmarktindizes

Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Wertentwicklung. Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Die Rendite bei Anlagen in Fremdwährungen kann auch infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Um die Entwicklung von Staatsanleihen in einem festen Laufzeitbereich abzubilden, werden so genannte synthetische Anleihen berechnet. Dabei wird jeweils die zum relevanten Zeitpunkt „passendste“ reale (echte) Bundesanleihe herangezogen und als Referenz für die Renditechance der synthetischen Anleihe genommen. Abgebildet ist die Entwicklung der erwarteten Rendite bis zur Endfälligkeit (Yield to maturity) unter folgenden Voraussetzungen: bedingungsgerechte Bedienung der Zinszahlungen und Einlösung sowie Halten bis Endfälligkeit. Insoweit handelt es sich um eine Renditechance. Die Renditechancen spiegeln die unterschiedlichen Risikoeinschätzungen der Anleger zu den jeweiligen Produkten bzw. Ländern wieder (höhere Renditechance=höhere Risikoeinschätzung). Die synthetischen Anleihen können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei Währungen und Rohstoffen sind anfallende Erwerbs- und/oder Verwahrkosten nicht berücksichtigt. Quelle: Refinitiv Datastream.

21 ESG steht für für die englischen Ausdrücke Environmental, Social und Governance, also ökologische Ausrichtung, gesellschaftliche Orientierung und verantwortungsvolle Unternehmensführung.