Im Dialog

Unsere lokalen Chief Investment Officer (CIOs) im Austausch mit unseren Kunden

Alessandro Caviglia
CIO Italy, UniCredit SpA
(Italien)

Italien

Italienische Staatsanleihen: Was treibt die Preise?

Das finanzielle Umfeld der letzten sechs Monate war der perfekte Sturm für Staatsanleiheninvestitionen auf beiden Seiten des Atlantiks. Einerseits erodiert die stark steigende Inflation, die im Wesentlichen eine Folge der Produktions- und Vertriebskettenstörungen ist, den realen Wert künftiger Kupons und Kapitalauszahlungen. Andererseits haben die immer aggressiveren Pläne der Zentralbanken, die geldpolitischen Anreize zu reduzieren (quantitative Straffung), dazu geführt, dass die Hauptnachfragequelle auf dem Sekundärmarkt fehlt. Das Ergebnis war eine Korrektur, die in ihrer Größenordnung und Geschwindigkeit in der jüngeren Geschichte beispiellos ist.

In Europa haben sich auch die Renditespannen zwischen Staatsanleihen der Peripherieländer und Anleihen mit AAA-Rating, wie z. B. deutschen Staatsanleihen, ausgeweitet. So stieg etwa der Abstand zwischen 10-jährigen italienischen Staatsanleihen und der entsprechenden Bundesanleihe mit derselben Laufzeit in der zweiten Juniwoche auf rund 230 Bp. Dieser Anstieg fand vor dem Hintergrund einer allgemeinen Zunahme der Risikoaversion statt, die als weniger sicher geltenden Vermögenswerte belastete und damit bei Anleihen zu einer Benachteiligung der Emittenten mit niedrigerer Bonität führte.

Für einen historischen Vergleich der Höhe der Renditespanne zwischen italienischen und deutschen Staatsanliehen in Phasen hoher Volatilität und Risikoaversion sei daran erinnert, dass diese in der letzten Jahreshälfte 2018 im Durchschnitt bei etwa 275 Bp und im zweiten Quartal 2020 bei etwa 250 Bp lag.

Obwohl die Unsicherheiten über die Preisdynamik und die daraus resultierenden geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken kurzfristig zu einem Anhalten des derzeitigen volatilen Umfelds führen könnten, sollten mittelfristig verschiedene endogene und exogene Faktoren die italienischen Anleihen weiterhin unterstützen. Im Folgenden werden einige von ihnen aufgeführt.

  • Das Primärdefizit des italienischen Staates (ohne Zinsausgaben) wird im Jahr 2021 3,7% betragen. Die Schätzung für 2022 liegt bei 2%; für 2023 wird es lt. Schätzungen auf 1% zurückgehen. Diese Zahlen zeigen, dass die Ströme der italienischen Staatsfinanzen dem Durchschnitt der Eurozone entsprechen.
  • Das aufgelegte nationale Konjunkturprogramm (National Recovery and Resilience Plan, NRRP) hat die politischen Kosten der europaskeptischen Positionen erheblich erhöht und damit die Bindung an Europa und die Verpflichtung zur Umsetzung des Plans gestärkt. Die italienische Regierung hat kürzlich bestätigt, dass die für die erste Hälfte des Jahres 2022 gesetzten Ziele erreicht wurden. Der NRRP ist entscheidend für eine dauerhafte und erreichbare Steigerung des Wachstumspotenzials des Landes und damit für die Stabilität der Schuldenquote.
  • Die EZB hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es für eine wirksame Transmission der Geldpolitik von wesentlicher Bedeutung ist, eine Fragmentierung des europäischen Schuldenmarktes zu vermeiden. In der Tat hätten divergierende Trends bei den Zinssätzen der öffentlichen Haushalte ähnliche Auswirkungen auf die inländischen Kreditmärkte (über den Transmissionskanal der nationalen Staatsanleihen, die die Banken als Teil ihrer Aktiva halten). Die EZB hat natürlich nicht angegeben, wie und bei welchen Renditespannen sie ein Eingreifen für notwendig hält, aber das Instrumentarium, das ihr heute zur Verfügung steht, ist umfangreich und sicherlich wirksam.
  • Was schließlich die gehaltenen Anleihebestände betrifft, so halten ausländische Anleger (die in Stressphasen oft erhebliche Abflüsse verzeichnen, was zur Ausweitung der Renditespannen beiträgt) heute etwa 500 Mrd. EUR, etwa 20% des Gesamtbestands (und damit der niedrigste Stand seit der Staatsschuldenkrise 2011-2012). Etwa 80% der italienischen Staatsschulden werden von privaten inländischen Anlegern und vom öffentlichen Sektor gehalten. Erstere halten rund 1.150 Mrd. EUR, letztere halten rund 680 Mrd. EUR, die in den letzten Jahren vom Eurosystem (dem System der nationalen Zentralbanken unter dem Vorsitz der EZB) erworben wurden. Dies stellt ein wichtiges Element der Stabilität für die Preisentwicklung dar.

Wir sind daher der Ansicht, dass die derzeitige Korrektur nicht den Beginn eines signifikanten Anstiegs der Renditespanne für italienische Staatsanleihen darstellt. In der Anlageklasse der Staatsanleihen bevorzugen wir nach wie vor BTPs, die unserer Meinung nach im Rahmen einer Normalisierung der Risikoaversion in der zweiten Jahreshälfte das Potenzial haben, ihren Wert wiederzuerlangen.

Oliver Prinz
Co-CIO Bank Austria and Schoellerbank
(Österreich)

Österreich

Kryptowährungen als Anlageform?

Kryptowährungen sind seit vielen Jahre in aller Munde. Wer hat in den letzten Jahren nicht viele Diskussionen mit Nachbarn, Bekannten, Freundinnen oder Freunde oder innerhalb der Familie über diese Anlagemöglichkeit geführt? Es scheiden sich bei diesem Thema die Geister. Doch lange Zeit hatten die Befürworter von Kryptowährung die Oberhand. Dies liegt wohl hauptsächlich an der Tatsache, dass die Kurse lange Zeit gestiegen sind und Investorinnen und Investoren hervorragende Gewinne einfahren konnten. Dies hat die mediale Wahrnehmung erhöht und in weiterer Folge auch dazu geführt, dass Anbieter von Finanzdienstleistungen das Angebot ausgeweitet haben. So hat sich diese Spirale weiter nach oben gedreht. Zuletzt aber haben Kryptowährungen regelrechte Einbrüche verzeichnen müssen.

Ob Kryptowährungen als Anlageform geeignet sind oder nicht, muss jede Investorin oder Investor für sich entscheiden. Als UniCredit-Konzern haben wir derzeit noch Vorbehalte gegenüber dieser Investitionsmöglichkeit und berücksichtigen diese daher nicht in der Vermögensallokation. Die hinter Kryptowährungen liegenden Technologien (z.B. Blockchain) könnten in den kommenden Jahren durchaus eine wichtige Rolle spielen. Vielmehr sehen wir Herausforderungen bei der Einschätzung des Werts dieser Instrumente. Worin bestehen nun die Herausforderungen bei der Veranlagung und Bewertung von Kryptowährungen?

  • Der Wechselkurs zu anderen klassischen Währungen, zum Beispiel dem Euro oder US-Dollar, unterliegt starken Schwankungen. Dies hat mitunter damit zu tun, dass gängige Bewertungsansätze für Währungen nicht auf Kryptowährungen projiziert werden können. Die Zinsdifferenz zwischen Währungsräumen kann ein Faktor sein, der Wechselkurse beeinflusst. Geld fließt oft in jene Regionen, in denen höhere Zinsen offeriert werden, wodurch der Wechselkurs gestützt wird. Volkswirtschaften mit solidem Wirtschaftswachstum profitieren auch von stärkerer Nachfrage in deren Währungen. Kaufkraftparität kann ebenfalls eine Möglichkeit für die Bewertung von Währungen sein. Der plakativste Indikator ist in diesem Zusammenhang der Big-Mac-Index, der im Jahr 1986 vom Magazin „The Economist“ kreiert wurde. Dieser vergleicht die Kosten für einen gängigen Burger in den verschiedenen Währungsräumen und berechnet daraus einen impliziten Wechselkurs. Andere wirtschaftliche oder politische Faktoren können ebenfalls Auswirkungen auf den Wechselkurs haben. All diese Maßstäbe können jedoch nicht für Kryptowährungen angewendet werden. 
  • Kryptowährungen bieten keinen Ertrag. Bei Investitionen in Aktien beteiligt sich eine Investorin oder ein Investor an einem Unternehmen. Der Aktienkurs unterliegt auch Schwankungen, aber über Dividendenzahlungen kann beispielsweise ein laufender Ertrag generiert werden. Aktien sind Substanzwerte (Anlagen, Markenrechte, Immobilien, …), allerdings sollte bei dieser Anlageform ebenfalls eine detaillierte Analyse vorhergehen. Anleihen zahlen in den meisten Fällen einen Kupon wodurch laufende Einkünfte gewährleistet sind. Das niedrige beziehungsweise negative Zinsumfeld hat die Anlage in Kryptowährungen begünstigt, da in vielen Fällen die Opportunitätskosten gering oder gar negativ waren. Durch das steigende Zinsumfeld hat sich nun das Bild nun gewandelt.
  • Im Fall, dass Kryptowährungen wertlos werden, bleibt der Anlegerin oder dem Anleger nichts in Händen. Bei Unternehmensanleihen ist, nach Abzug aller Verbindlichkeiten, in vielen Fällen für die Gläubiger noch eine Teilrückzahlung des investierten Betrags möglich. Bei Rohstoffen, die ebenfalls keinen laufenden Ertrag abwerfen, besteht zumindest ein physischer Wert. Zum Beispiel kommen viele Metalle in der Industrie zum Einsatz oder werden als Schmuck verwendet. Was bleibt von Kryptowährungen, wenn das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger schwindet.
  • Die Akzeptanz von Kryptowährungen als Zahlungsmittel ist, sicherlich auch bedingt durch die hohen Kursschwankungen, sehr gering. Immer wieder bieten Unternehmen die Bezahlung ihrer Leistungen auch in Kryptowährungen an, rudern dann aber teilweise wieder zurück. Die Argumente dafür sind unterschiedlich, aber mit Sicherheit sind die hohen Kursschwankungen und die daraus resultierende Planbarkeit ein Mitgrund für diesen Umstand. Diese hohen Schwankungen machen auch eine Berücksichtigung im Rahmen einer Vermögensallokation schwierig, da bereits geringere Gewichtungen erhebliche Auswirkungen auf die Risikoparameter haben würden.

Diese Argumentation bezieht sich auf die Herausforderungen, die wir in Bezug auf die Veranlagung und Bewertung sehen und warum diese Veranlagungsinstrumente nicht in der Vermögensallokation berücksichtigt werden. Andere Aspekte wie Nachhaltigkeit (Energiekonsum) oder Regulierungen wurde nicht berücksichtig. Jede Investorin beziehungsweise jeder Investor muss die Chancen und Risiken die in Verbindung mit Kryptowährungen, von denen über 10.000 existieren, selbst beurteilen und diese vor einer Veranlagung abwägen. Die Kursentwicklungen vieler Kryptowährungen gleichen im letzten Jahr eher ein Achterbahnfahrt als einer soliden Anlage. Es bleibt spannend, ob die große Krypto-Party nun zu einem jähen Ende gekommen ist oder nur einmal kräftig Luft geholt wird, um die Kurse in neue Höhen zu heben. 

Philip Gisdakis
CIO UniCredit Bank GmbH
(HypoVereinsbank, Deutschland)

Deutschland

Wird Frankreich nach den Parlamentswahlen für Präsident Macron unregierbar?

Der 19. Juni hat Frankreich verändert. Zwei Monate nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten Frankreichs, in der bereits deutlich wurde, wie sehr Emmanuel Macron das Land polarisiert, hat er in der entscheidenden zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen eine herbe Niederlage erlitten: Sein zentristisches Bündnis Ensemble (Gemeinsam), dem mehrere Parteien der politischen Mitte angehören22, verlor klar seine Mehrheit in der 577 Mitglieder zählenden Nationalversammlung. 

Das Macron-Lager wurde nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis mit 245 Sitzen stärkste Kraft, verfehlte aber die absolute Mehrheit, zu der 289 Sitze erforderlich wären. Vor fünf Jahren holte La République en Marche (LREM) noch eine satte Mehrheit. Stärkste Oppositionskraft wurde die neue ökologisch-soziale Volksunion (Nupes)23 des Linksnationalisten Jean-Luc Mélenchon mit 131 Sitzen, der sich auch Sozialisten und Grüne anschlossen. Die rechtsnationale Rassemblement National von Marine Le Pen punktete so stark wie noch nie bei einer Parlamentswahl und wird künftig mit 89 Abgeordneten – etwa elfmal so vielen wie bisher – die drittstärkste Kraft im Parlament stellen, denn die Fraktion der bürgerlich-konservativen Republikaner stürzten (gemeinsam mit ihren Verbündeten) auf 74 Mandate ab. Die Wahlbeteiligung in der Fünften Republik bei Parlamentswahlen war noch nie so niedrig; nur rund 46 Prozent der französischen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab.

Für Präsident Macron bedeutet dieses Ergebnis eine heftige Niederlage. Erstmals seit über 30 Jahren steht der französische Präsident ohne absolute Parlamentsmehrheit da. Entsprechend äußerte sich auch Premierministerin Élisabeth Borne: “Wir haben heute eine neue Situation”, sagte sie mit Blick auf den Verlust der absoluten Mehrheit. Die Lage sei „ein Risiko für unser Land gegenüber nationalen und internationalen Herausforderungen.“ Das Ergebnis müsse aber respektiert werden. 

Frankreichs System ist grundsätzlich ausgelegt auf klare Konfrontationen mit klaren Mehrheiten. Das kompromissbasierte Regieren in Koalitionen über das eigene politische Lager hinweg ist weit weniger üblich als in der Bundesrepublik. Der Wahlausgang dürften insofern zu wochenlangen Verhandlungen führen, da Macron angesichts der herber Mandatsverluste mit seinem Mitte-Lager in der Nationalversammlung Partner für eine Regierungsmehrheit suchen muss. Führende konservative Politiker riefen bereits zu einem Bündnis mit Macron auf, das eine ausreichende Regierungsmehrheit sichern könnte. 

Während das Regieren für die Mehrheitsführer künftig kontroverser und komplizierter werden dürfte, hat der französische Präsident verfassungsgemäß eine zu herausragende Stellung, als dass Frankreich nun unregierbar würde. Mit Sicherheit wird es für Macron aber nicht einfacher, wichtige Gesetzesvorhaben – etwa die Rente mit 65 – durchzusetzen. 

Die Premierministerin nannte unterdessen Prioritäten für die kommende Regierungperiode. Ab dem Sommer solle es starke und konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft der Franzosen geben. Vollbeschäftigung und der ökologische Wandel stünden ebenso ganz oben auf der Prioritätenliste, das Bildungs- und Gesundheitswesen müsse verbessert werden. Als weitere vorrangige Aufgaben bezeichnete Élisabeth Borne die Souveränität Frankreichs in den Bereichen Energie und Lebensmittel. 

Ob es der neuen französischen Regierung gelingen wird, die Reformdynamik wiederzubeleben, bleibt abzuwarten. Wir sind aber zuversichtlich, dass Frankreich – trotz des zu erwartenden Gegenwindes einer erstarkten extremen Rechten – ein verlässlicher Partner für das europäische Projekt bleiben wird.
 

22 Bei den diesjährigen Parlamentswahlen schloss sich Macrons La République en Marche (LREM) wieder mit der Zentrumspartei MoDem und der vom ehemaligen Premierminister Édouard Philippe gegründeten Mitte-Rechts-Partei Horizons zusammen.

23 Zur Nupes-Allianz gehören Mélenchons France insoumise, die Sozialisten, die Kommunistische Partei und Frankreichs Grüne Europe Écologie Les Verts.