Im Dialog

Unsere lokalen Chief Investment Officer (CIOs) im
Austausch mit unseren Kunden

Alessandro Caviglia
CIO Italy, UniCredit SpA
(Italien)

Italien

Welches sind die Hauptaussagen der jüngsten „Erklärung von Versailles” und des REPower EU-Plans?

In den letzten Jahren wurden die makroökonomische Landschaft und die Finanzmärkte stark von einer ultraexpansiven Geldpolitik und gezielten fiskalischen Stimulierungsmaßnahmen beeinflusst, mit denen die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen, die durch COVID-19 verursacht wurden, korrigiert werden sollten. Demgegenüber werden die nächsten Jahre zumindest in Europa von der russischen Aggression gegen die Ukraine geprägt sein – einem dramatischen Ereignis, das unsägliches Leid über die ukrainische Bevölkerung bringt. Die Europäische Union leistet koordinierte humanitäre, politische und finanzielle Unterstützung. Außerdem plant sie, wie sie wirksam auf die wachsende Instabilität, den globalen strategischen Wettbewerb und die Sicherheitsbedrohungen reagieren kann. Dies sind die Themen der „Erklärung von Versailles”, die den Abschluss der Tagung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am 10. und 11. März bildeten.

Es ist ein wichtiger strategischer Plan, weil er die Hauptrichtungen der privaten und öffentlichen Investitionen der EU im nächsten Jahrzehnt klar vorgibt. Wir wissen, dass sich die Geldpolitik allmählich normalisieren wird, aber wir können sicher sein, dass die Finanzpolitik unabhängig von den unsicheren Szenarien, mit denen wir konfrontiert sind, einen zusätzlichen expansiven Schritt auf die EU der nächsten Generation zugehen wird.

Die wichtigsten Themen, die in der Erklärung behandelt werden, sind:

 

Die Verteidigungsanstrengungen

 

 

Die Energieabhängigkeit und

 

 

Die wirtschaftliche Basis

 

 

Die Verteidigungsanstrengungen

Die EU wird ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen, wobei ein erheblicher Anteil auf Investitionen entfallen wird, mit besonderem Augenmerk auf innovative und neuentstehende Technologien im Zusammenhang mit der ständig zunehmenden hybriden Kriegsführung, um die „Cyber-Resilienz“ zu stärken und kritische physische und technologische Infrastruktur zu schützen.

 

 

Die Energieabhängigkeit und …

REPowerEU (Europäische Kommission, 8. März 2022) ist die Antwort auf die derzeitige starke Abhängigkeit bei fossilen Brennstoffen und stützt sich auf zwei Säulen: Weniger Russland und weniger fossile Brennstoffe. Zum Hintergrund: Die EU ist zur Deckung ihres Energiebedarfs auf die Einfuhr fossiler Brennstoffe (Gas, Öl und Kohle) angewiesen, die 60% des Bruttoenergieverbrauchs ausmachen. Die inländische Produktion erneuerbarer Energiequellen hat in den letzten Jahren zwar erheblich zugenommen, dennoch ist die EU bei Gas (90% des Verbrauchs), Öl (97%) und Steinkohle (70%) von Einfuhren abhängig. Im Gassektor lieferte Russland im Jahr 2021 rund 45% der gesamten Gaseinfuhren der EU. Die anderen wichtigsten Gaslieferanten waren Norwegen (23%), Algerien (12%), die Vereinigten Staaten (6%) und Qatar (5%). Bei Rohöl leistet Russland ebenfalls den größten Beitrag zu den EU-Importen (27%), gefolgt von Norwegen (8%), Kasachstan (8%) und den USA (8%). Auch bei der Steinkohle ist Russland der führende Lieferant (46%), gefolgt von den USA (15%) und Australien (13%). Die erste Säule von REPower EU zielt auf die Diversifizierung der Gasversorgungsrouten und -quellen ab und sieht höhere Flüssigerdgas- (LNG) und Pipeline-Importe von nicht-russischen Lieferanten sowie eine verstärkte Nutzung von Biomethan und erneuerbarem Wasserstoff vor. Bereits vor Jahresende könnten diese Maßnahmen dazu führen, dass die Gasnachfrage der EU um ein Volumen sinkt, das zwei Dritteln der russischen Gasimporte entspricht.

Die zweite Säule ist ein integriertes EU-Energiesystem, das weitgehend auf erneuerbare Energien und höherer Energieeffizienz basiert, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen in Gebäuden und Industrie zu verringern. Energieeffizienz war noch nie so wichtig wie heute, denn die Senkung des Energieverbrauchs in Haushalten und Unternehmen bedeutet nicht nur eine Verringerung der Energieeinfuhren aus Russland, sondern auch eine Senkung der Energiekosten für Bürger und Unternehmen.

Als kurzfristige Maßnahme wird ein neuer, vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen erörtert, um Unternehmen, die von besonders hohen Energiekosten betroffen sind, Beihilfen zu gewähren. Die EU-Kommission beabsichtigt außerdem, bis April einen Legislativvorschlag vorzulegen, der vorschreibt, dass die unterirdischen Gasspeicher in der gesamten EU bis zum 1. Oktober jeden Jahres zu mindestens 90% gefüllt sein müssen (die Gasspeicher liefern in der Regel 25%-30% des in der EU im Winter verbrauchten Gases).

 

 

Die wirtschaftliche Basis

Um die wirtschaftliche Basis Europas widerstandsfähiger und wettbewerbsfähiger zu machen, werden verschiedene Initiativen ergriffen. Die wichtigsten Bereiche sind:

– Halbleiter, wo die EU ihre Wertschöpfungsketten diversifizieren und die internen Produktionskapazitäten weiter ausbauen will – mit dem Ziel, den europäischen Weltmarktanteil bis 2030 auf 20% zu verdoppeln (der European Chips Act vom 8. Februar 2022 zielt darauf ab, öffentliche und private Investitionen in Höhe von mehr als 43 Milliarden Euro zu mobilisieren).

– digitale Technologien, einschließlich künstlicher Intelligenz, Cloud-Computing und 5G-Einführung in Europa, unterstützt durch die Notwendigkeit einer raschen Verabschiedung anstehender Rechtsakte (insbesondere des Data Act, des Digital Services Act, des Digital Markets Act, des Artificial Intelligence Act). Das ist ein ehrgeiziger Plan, der mit einer ähnlichen Regelung finanziert werden könnte, wie sie in jedem Land mit den Konjunktur- und Resilienzplänen angenommen wurde. Die vollständige Umsetzung wird Jahre dauern, aber wir werden bereits in den kommenden Monaten konkrete Maßnahmen sehen.

Was sind die Auswirkungen auf unsere Investitionsstrategien? Die europäische Wirtschaft wird im gegenwärtigen Umfeld sicherlich stärker leiden als die US-amerikanische, aber die dargestellten Maßnahmen sind ein weiterer großer Schritt in Richtung einer stärkeren Integration und Zusammenarbeit auf der einen Seite und die richtigen Maßnahmen zur Behebung unserer globalen strategischen Defizite: Energie und Technologie. Aus diesem Grund halten wir an einer langfristig positiven Sicht auf europäische Aktienwerte fest. Darüber hinaus sind wir aufgrund der verschiedenen Pläne und Teilpläne noch mehr von einigen der von uns identifizierten langfristigen Industrie- und Anlagethemen überzeugt: Technologische Innovation, Infrastruktur 2.0, Klimawandel und „Green Transition“. All diese Maßnahmen erfordern große Anstrengungen, und der Weg wird alles andere als geradlinig verlaufen. Aber sie haben das Potenzial, ein besseres und stärkeres Europa von morgen zu gestalten.

Oliver Prinz
Co-CIO Bank Austria and Schoellerbank
(Österreich)

Österreich

Krisencheck fürs Depot

Die Kapitalmärkte reagierten auf den Ukraine-Krieg mit heftigen Kursschwankungen und viele Anleger kommen ins Grübeln, ob ihr Portfolio auch in stürmischen Zeiten gut aufgestellt und krisensicher ausgerichtet ist. Es gibt zwar keine allgemeingültigen Antworten, wohl aber ein paar grundsätzliche Regeln, die insbesondere in schwierigen Börsenphasen zu beachten sind.

Bevor man sein Depot zusammenstellt, gilt es, sich zunächst über die eigenen Bedürfnisse über Ertrag und akzeptiertes Risiko klar zu werden. Der Anlagehorizont spielt bei der Geldanlage eine überaus wichtige Rolle, da zum Beispiel bei einem längeren Zeithorizont auch ein höheres Risiko eingegangen werden kann. Aktieninvestments beinhalten grundsätzlich mehr Risiko als Anleihen, weshalb der Anlagehorizont für Aktientitel entsprechend länger gewählt werden sollte. Doch im momentanen Umfeld sind auch Anleihen mit einem gewissen Risiko behaftet, da mit steigenden Zinsen der Preis für eine Anleihe fällt.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Entscheidungsfindung ist, dass man der Herde an den Börsen nicht immer folgen sollte. Springt man zu spät auf den fahrenden Zug auf, läuft man Gefahr, überteuert zu kaufen. Antizyklisch investieren und als Käufer agieren, wenn zittrige Hände das Weite suchen – das hat sich in der Vergangenheit immer bezahlt gemacht. Dabei spielen Sentiment-Indikatoren eine wichtige Rolle. Mit diesen wird die ­Stimmung an den Börsen gemessen, und man positioniert sich dann zumeist konträr zum allgemein vorherrschenden Meinungsbild.

Bei der Zusammensetzung eines Depots ist ein weiterer entscheidender Aspekt die regionale Diversifikation sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen. Viele Anleger machen den Fehler, nur regional zu kaufen und damit lediglich einen Teil des zur Verfügung stehenden Universums zu nutzen. Gerade während der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass es von Vorteil sein kann, wenn man global aufgestellt ist. Kamen zunächst die asiatischen Märkte mit der Pandemie besser zurecht, so war es im Laufe der Zeit der US-amerikanische Aktienmarkt, der von einem Hoch zum nächsten eilte. Darüber hinaus sollte man die Bewertung der Titel genau beobachten und den Fokus auf Qualitätstitel mit angemessener Bewertung legen.

Fazit: Bewahren sie in dieser heißen Phase einen kühlen Kopf, denn in diesen schwierigen Marktkonstellationen ergeben sich auch hervorragende Gelegenheiten, ein Investment einzugehen. Wer hier in Panik verfällt oder dem Aktienmarkt langfristig den Rücken kehrt, könnte einen großen Fehler machen. Vorsicht ist sicherlich wichtig, aber wer zu vorsichtig agiert, wird im Nullzinsumfeld keine seriöse Alternative zu Aktien finden. Aktien im Depot zu haben ist somit aus Renditeüberlegungen im aktuellen Umfeld weiterhin eine wichtige Beimischung. Sollte ihnen das Auf und Ab an den Börsen zu stressig sein, dann freuen sich die Expertinnen und Experten der UniCredit, Sie bei Ihren Entscheidungen zu unterstützen.

Philip Gisdakis
CIO UniCredit Bank GmbH
(HypoVereinsbank, Deutschland)

Deutschland

Wie reagiert die EZB auf die jüngsten Herausforderungen?

Die führenden Zentralbanken – allen voran Fed und EZB – haben in den letzten Monaten einen spürbaren Schwenk weg von einer ultralockeren Geldpolitik und hin zur Inflationsbekämpfung vollzogen. Dann kamen der Ukraine-Krieg und die harschen Sanktionen des Westens gegen Putin. Gebannt schauten die Marktteilnehmer auf die Notenbanken. Würden sie ihren Kurswechsel womöglich hinauszögern? Dem war aber nicht so. Überraschenderweise haben beide Zentralbanken nach ihren jüngsten Sitzungen nochmal auf der „hawkischen“, sprich aggressiven Seite überrascht.

So hat die EZB ihr Pandemiekaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme, mit einem monatlichen Kaufvolumen von 80 Mrd EUR) auslaufen lassen und, wie erwartet, eine übergangsweise ­Anhebung des alten „Asset Purchase Programme“ (APP) von monatlich 20 Mrd. auf 40 Mrd. EUR beschlossen. Gleichzeitig ließ sie verlauten, die Aufstockung im zweiten Quartal gleich wieder zurückzufahren. Zudem hat sie durchblicken lassen, dass auch die restlichen 20 Mrd. EUR monatlichen Käufe schon im dritten Quartal auslaufen lassen wird. Einzige Konzession war indes die Ankündigung, nicht gleich nach dem Ende der Anleihekäufe die Zinsen anzuheben. Das bisherige „sequencing“, also die (rasche) Abfolge der Beendigung der Wertpapierkäufe und dem Beginn des Zinserhöhungszyklus hat sie demnach entkoppelt.

Diese Entwicklungen haben zu einem deutlichen Anstieg der Renditen geführt. So stieg z.B. die 10-jährige deutsche Bundrendite, welche zwischenzeitlich aufgrund der Flucht vieler Anleger in die sicheren Häfen von +0,30% auf -0,05% zurückgefallen war, zuletzt wieder auf deutlich über +0,35%. Diese heftigen Kursschwankungen am Rentenmarkt spiegeln die hohe Verunsicherung der Märkte im Spannungsfeld von hoher Inflation und Bedarf nach Sicherheit wider.

Mehr noch hat die Fed überrascht. Aus deren Verlautbarungen lässt sich schließen, dass sie beabsichtigt, auf jeder der kommenden Sitzungen bis etwa Mitte nächsten Jahres die Zinsen anzuheben, möglicherweise sogar zum Teil auch um mehr als die üblichen 0,25%-Schritte. Darüber hinaus will sie will in der nächsten Sitzung Details zum Abbau ihrer Bestände an Anleihen liefern. Neben einem akzentuierteren Zinserhöhungspfad könnte die Fed durchaus schnell von einem „Quantitative Easing“ (QE), also von Anleihekäufen auf einen „Quantitative Tightening“ (QT)-Pfad umschwenken.

Bemerkenswert dabei ist, dass die jeweiligen Wachstumsprognosen von EZB und Fed eher moderate Abkühlungseffekte berücksichtigen. Das könnte sich noch ändern. In diesem Zusammenhang ist ein Detail der Fed-Prognosen bemerkenswert. Die Zentralbank-Gouverneure erwarten, dass sie im laufenden Zinsanhebungszyklus den Leitzins bis auf 2,8% anheben werden – und das schon bis Mitte nächsten Jahres. Gleichzeitig sehen sie aber einen langfristigen Gleichgewichtszins von nur 2,4% (zuvor: 2,5%). Dies impliziert, dass sie die Zinsen erst einmal so weit anheben wollen, dass dadurch das starke Wachstum und die damit einhergehenden Inflationsdruck abgebremst werden – bevor die Fed dann die Zinsen wieder senken kann. Ob eine derartige Feinsteuerung der wirtschaftlichen Entwicklungen gelingen kann, bleibt indes abzuwarten.

Entwicklung ausgewählter Finanzmarktindizes

Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Wertentwicklung. Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Die Rendite bei Anlagen in Fremdwährungen kann auch infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Um die Entwicklung von Staatsanleihen in einem festen Laufzeitbereich abzubilden, werden so genannte synthetische Anleihen berechnet. Dabei wird jeweils die zum relevanten Zeitpunkt „passendste“ reale (echte) Bundesanleihe herangezogen und als Referenz für die Renditechance der synthetischen Anleihe genommen. Abgebildet ist die Entwicklung der erwarteten Rendite bis zur Endfälligkeit (Yield to maturity) unter folgenden Voraussetzungen: bedingungsgerechte Bedienung der Zinszahlungen und Einlösung sowie Halten bis Endfälligkeit. Insoweit handelt es sich um eine Renditechance. Die Renditechancen spiegeln die unterschiedlichen Risikoeinschätzungen der Anleger zu den jeweiligen Produkten bzw. Ländern wieder (höhere Renditechance=höhere Risikoeinschätzung). Die synthetischen Anleihen können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei Währungen und Rohstoffen sind anfallende Erwerbs- und/oder Verwahrkosten nicht berücksichtigt. Quelle: Refinitiv Datastream. Stand: 18.03.2022